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Philosophie und Offenbarungsglaube
Der Titel dieser Schrift lautet: »Derphilosophische Glaube angesichts der Offenbarung«;
14 soll\ten beide für immer unvereinbar sein, so spreche ich von der einen Seite her, aber von der
anderen betroffen. Der Titel »Philosophischer Glaube und Offenbarung« wäre ungemäß.
Denn er würde einen überlegenen Standpunkt außerhalb beider beanspruchen, den ich nicht
einnehme. Sollten aber philosophischer Glaube und Offenbarungsglaube sich treffen können,
ohne in eins zusammenzufallen, so möchte ich zu denken versuchen, was dieser Möglichkeit
hilft (Seite 7-8).
Zahrnt
Ich habe dieses Vorwort Ihres neuen Buches als Eingang unseres Gespräches gewählt,
weil in ihm bereits fast alle Themen anklingen, die dann später im Buch selbst breit
entfaltet werden: das Versagen des christlichen Offenbarungsglaubens und die Not-
wendigkeit seiner Wandlung, die Hochschätzung der Bibel, die Macht und die Grenze
der Wissenschaft und Technik, die Möglichkeiten und Aussichten des philosophi-
schen Glaubens in der gegenwärtigen Situation unserer Zeit, die Frage nach dem Ver-
15 hältnis von philosophischem Glauben und Offenbarungsglau|ben, nach der Möglich-
keit eines Bundes zwischen ihnen, und dies alles nicht allgemein in kühler Distanz,
sondern in persönlichem In-Anspruch-genommensein und eigener kräftiger Stellung-
nahme. Aber das alles sind ja nicht nur Themen dieses Buches, sondern Ihres ganzen
philosophischen Werkes.
Fast möchte es mir als ein Zeichen göttlicher Providenz erscheinen - wenn Sie mir
gleich am Anfang diese Chiffer des Offenbarungsglaubens gestatten -, daß dieses Ihr
neues Werk kurz vor Vollendung Ihres 80. Eebensjahres erschienen ist. Es ist wie eine
große Ernte. Was Sie gedacht, gearbeitet und geschrieben haben, zumal seit 1945, ist
in ihm zusammengefaßt, ergänzt, erweitert, vertieft, teils gemildert, teils stärker pro-
filiert. Ich kenne gegenwärtig keine andere Stelle, wo die kritische Auseinandersetzung
mit dem Christentum von seifen der Philosophie so intensiv geführt wird wie hier: auf
breiter Front und doch mit großer Einheitlichkeit, weil noch bestimmt von der besten
philosophischen Tradition des Abendlandes. Alles, was das philosophische Denken
an Schwierigkeiten und Einwänden gegenüber der christlichen Offenbarung gehabt
16 hat, | das begegnet uns hier wieder, doch nicht nach der Weise platter Aufklärung, son-
dern in Anziehung und Abstoßung aus dem Ursprung eigenen philosophischen Den-
kens und Glaubens. Hier findet wirklich noch ein Gespräch zwischen Philosophie und
Theologie statt. Dieses Gespräch an einigen Punkten nachzuzeichnen, soll der Ver-
such dieser Stunde sein.
Nun haben Sie mit solchen Gesprächen mit Theologen keine guten Erfahrungen
gemacht. Sie schreiben in Ihrer 1947 entstandenen Vorlesungsreihe »Der philosophi-
sche Glaube«, die ja gleichsam ein Hinweis und Entwurf auf dieses neue große Werk
ist, und wiederholen es in Ihrer Auseinandersetzung mit Rudolf Bultmann: »Zu den
Philosophie und Offenbarungsglaube
Der Titel dieser Schrift lautet: »Derphilosophische Glaube angesichts der Offenbarung«;
14 soll\ten beide für immer unvereinbar sein, so spreche ich von der einen Seite her, aber von der
anderen betroffen. Der Titel »Philosophischer Glaube und Offenbarung« wäre ungemäß.
Denn er würde einen überlegenen Standpunkt außerhalb beider beanspruchen, den ich nicht
einnehme. Sollten aber philosophischer Glaube und Offenbarungsglaube sich treffen können,
ohne in eins zusammenzufallen, so möchte ich zu denken versuchen, was dieser Möglichkeit
hilft (Seite 7-8).
Zahrnt
Ich habe dieses Vorwort Ihres neuen Buches als Eingang unseres Gespräches gewählt,
weil in ihm bereits fast alle Themen anklingen, die dann später im Buch selbst breit
entfaltet werden: das Versagen des christlichen Offenbarungsglaubens und die Not-
wendigkeit seiner Wandlung, die Hochschätzung der Bibel, die Macht und die Grenze
der Wissenschaft und Technik, die Möglichkeiten und Aussichten des philosophi-
schen Glaubens in der gegenwärtigen Situation unserer Zeit, die Frage nach dem Ver-
15 hältnis von philosophischem Glauben und Offenbarungsglau|ben, nach der Möglich-
keit eines Bundes zwischen ihnen, und dies alles nicht allgemein in kühler Distanz,
sondern in persönlichem In-Anspruch-genommensein und eigener kräftiger Stellung-
nahme. Aber das alles sind ja nicht nur Themen dieses Buches, sondern Ihres ganzen
philosophischen Werkes.
Fast möchte es mir als ein Zeichen göttlicher Providenz erscheinen - wenn Sie mir
gleich am Anfang diese Chiffer des Offenbarungsglaubens gestatten -, daß dieses Ihr
neues Werk kurz vor Vollendung Ihres 80. Eebensjahres erschienen ist. Es ist wie eine
große Ernte. Was Sie gedacht, gearbeitet und geschrieben haben, zumal seit 1945, ist
in ihm zusammengefaßt, ergänzt, erweitert, vertieft, teils gemildert, teils stärker pro-
filiert. Ich kenne gegenwärtig keine andere Stelle, wo die kritische Auseinandersetzung
mit dem Christentum von seifen der Philosophie so intensiv geführt wird wie hier: auf
breiter Front und doch mit großer Einheitlichkeit, weil noch bestimmt von der besten
philosophischen Tradition des Abendlandes. Alles, was das philosophische Denken
an Schwierigkeiten und Einwänden gegenüber der christlichen Offenbarung gehabt
16 hat, | das begegnet uns hier wieder, doch nicht nach der Weise platter Aufklärung, son-
dern in Anziehung und Abstoßung aus dem Ursprung eigenen philosophischen Den-
kens und Glaubens. Hier findet wirklich noch ein Gespräch zwischen Philosophie und
Theologie statt. Dieses Gespräch an einigen Punkten nachzuzeichnen, soll der Ver-
such dieser Stunde sein.
Nun haben Sie mit solchen Gesprächen mit Theologen keine guten Erfahrungen
gemacht. Sie schreiben in Ihrer 1947 entstandenen Vorlesungsreihe »Der philosophi-
sche Glaube«, die ja gleichsam ein Hinweis und Entwurf auf dieses neue große Werk
ist, und wiederholen es in Ihrer Auseinandersetzung mit Rudolf Bultmann: »Zu den