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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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Karljaspers - Piper Verlag (1963)

453

2 68 Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, A: Piper
Basel, den 17. Juli 1963
Lieber Herr Piper!
Sie haben mir von Ihren Erlebnissen berichtet. Haben Sie vielen Dank. Es muss ein
Sturm von Eindrücken gewesen sein, eine Vorbereitung für die nächste Reise. Herrlich,
wie der Verleger die Welt kennenlernt! Sie fahren durch die Räume wie die Politiker,
aber unter andern Gesichtspunkten. Sie stehen in den grossen Kreisen Ihrer Berufskol-
legen einer westlichen Welt, agieren und reagieren, hören und erfahren. Man könnte
Sie beneiden.
Was Sie über die deutschen Widerstandskämpfer sagen, wird Hannah Arendt
gewiss berücksichtigen. Ich habe leider ihr Eichmann-Buch nur zum kleinsten Teile
gelesen und kenne es eigentlich noch nicht. Dagegen habe ich ihr anderes Buch »On
revolution« mit Enthusiasmus von der ersten bis zur letzten Zeile gelesen.1429 Ich halte
es für ein grossartiges, ja fast einzigartiges Buch, aus einem politischen Glauben her-
aus, der sich in der Verborgenheit hält, aus der er Dinge zu sehen vermag, an denen
fast alle vorbeisehen. Sie erinnert die Amerikaner an ihren Ursprung, den sie fast ver-
gessen haben. Das Buch ist ihr Dank an Amerika, wie sie sagt. Im Eichmann-Buch
wird, was die Widerstandskämpfer angeht, gewiss alles in Ordnung sein, wenn die
bestimmten Definitionen hineinkommen, die Sie vorschlagen.1430 Natürlich waren
von Anfang an die Menschen da, von denen Sie sprechen, zu denen auch Sie und ich
gehören. Es waren auch solche, die schon 1933 »konspirierten«. Ich weiss es als Zeit-
genosse etwa von Emil Henk in Heidelberg, der 1933 für einige Zeit ins Gefängnis kam
(damals waren Strafen manchmal noch gelinde),1431 weil er an dem Aufbau einer Ver-
bindung alter Sozialdemokraten mitgewirkt hatte. Hannah meint offenbar das aktive
Handeln, etwa Pläne zum Umsturz seitens des Militärs, oder Attentate. Ich glaube, in
Bezug auf diesen Punkt hat sie die Wahrheit gesagt. Die Sache ist sehr verwickelt. Die
Widerstandskämpfer, die man heute in den Namenlisten des 20. Juli kennt, sind ja
unter sich äusserst verschieden. Manche von ihnen haben weder Gewalt anwenden
noch handeln noch Hitler ermorden wollen, sondern waren bereit, bei einer neuen
Regierung mitzuwirken. Sie sind durch Mangel an Vorsicht in ihr Schicksal geraten.
Ein so hervorragender Mann wie Tresckow hat doch eben 1933 und dann 1935 an
dem Aufbau der Armee von Hitlers Gnaden mitgewirkt. Auch Beck.1432 Diese haben
sich nicht zurückgezogen. Aktiv in einem beschränkten Sinne wurden sie erst, als
sie sahen, dass Hitler den Krieg wollte. Aber ihre Absicht war auch dann noch allein
bestimmt durch das nationale Interesse und dadurch begrenzt, war nicht gegen das
absolut Böse gerichtet, liess die Röhmmorde von 1934, die Konzentrationslager, die
Judenverfolgungen beiseiteliegen. Sie sahen alle nicht, was Alfred Weber 1933 sagte:
 
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