Metadaten

Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

Zitierlink: 
https://digi.hadw-bw.de/view/kjg3_8_2/0556
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Karljaspers - Piper Verlag (1963)

455

nus in einer Ihrer billigeren Reihen oder selbständig veröffentlichen möchten. Dabei
könnte man an das 500jährige Jubiläum von Cusanus' Tod im August 1964 denken.
Wenn dieses Jubiläum auch keine Sache ist für das grosse öffentliche Publikum, so
wird es doch vermutlich bei dem lebhaften Interesse für diesen grössten Philoso-
phen des 15. Jahrhunderts in akademischen Kreisen gefeiert werden. Vor allem die
katholische Welt hat eine sehr reiche deutsche Literatur in den letzten 30 Jahren über
Cusanus hervorgebracht.1440 Der Umfang beträgt 255 Schreibmaschinenseiten (dazu
kommt die Bibliographie). Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen in einigen Wochen ein
Exemplar des Manuskriptes schicken, um es in Hinsicht auf Veröffentlichung zu prü-
fen. Oder sind Sie ohne das bereit?
Hier in Basel war eine grosse Erregung wegen Hochhuths »Stellvertreter«.1441 Ich
habe vor einigen Tagen bei einem Radiogespräch teilgenommen, bei dem Hochhuth
selber, Propst Grüber, zwei Katholiken, ein weiterer Protestant, ein Jude und ich rede-
ten.1442 Mir scheint das Werk unter keine der geläufigen Kategorien zu fallen. Der
Autor hat nicht primär das dichterische Interesse, sondern vollzieht einen geistigen
Akt der Empörung im Interesse der Wahrheit. Viele Szenen scheinen mir dramatisch
hervorragend gelungen, andere weniger. Das Ganze imponiert mir. Hochhuth selber
machte mir einen ungewöhnlichen Eindruck. Jugendliche Energie, völlige Unbefan-
genheit, Bescheidenheit, ständig bereit, sich selbst zu belehren und zu hören. Seine
Impulse scheinen mir rein und echt. Hier war er in der Diskussion der Überlegene,
bei provozierenden Angriffen gegen ihn sachlich, energisch replizierend, aber mass-
voll. Mir scheint, ein junger Deutscher kommt zu Wort, der mir Mut macht, dass wir
geistig noch mehr leisten als Artistik (Hochhuth selber, scheint mir, hat keine eigene
»Sprache«, keinen »Stil«). Aber natürlich kann man nicht wissen, was daraus wird. Der
Erfolg scheint ihn nicht zu verwirren.
In einem Bande von Kritiken las ich einen Brief von Holthusen, der das Manuskript
hatte und von den Schwierigkeiten spricht, einen Verlag zu finden.1443 Es erst Ostern
erscheinen zu lassen, schiene ihm leicht, aber nicht wünschenswert. Ich dachte: hat
denn Holthusen nicht Herrn Piper von dem Manuskript in Kenntnis gesetzt? Wie
schön wäre es, wenn solch ein Buch nicht in dem grossen Rummel der Sensationen,
sondern bei Ihnen erschienen wäre. Hochhuths Buch hätte damit auch eine, wie mir
scheint, wichtige Distanz einfach durch den Ort des Erscheinens erlangt, nämlich zu
all der so billigen, aggressiven, pessimistischen, schnöden und oft sehr begabten Lite-
ratur in Deutschland. Ob Sie das Buch gelesen haben? Wie auch immer, es scheint mir
ein geistiges Ereignis zu sein.
Herzliche Grüsse und auch Dank von meiner Frau
Ihr
Karl Jaspers
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften