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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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I. Geschichtsschreibung als memoria
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Hölkeskamp, Karl-Joachim: Mythen, Monumente und Memorialkultur: die 'Corporate Identity' der gens Fabia
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0039
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Karl-Joachim Hölkeskamp

wenn man diese beiden Fragen als untrennbar interdependent nimmt. Charakter
und Botschaften der erwähnten direkt oder zumindest indirekt auf Pictors Werk zu-
rückzuführende Episoden deuten darauf hin, dass er sich sicherlich nicht nur - und
nicht einmal in erster Linie - an ein griechisches Publikum wandte, um allgemein
im Krieg gegen Hannibal für Rom und die römische Sache zu werben. Denn der
im römischen Sinne des Begriffs ,exemplarische4 Charakter dieser Episoden, die als
Illustrationen und Manifestationen von als urrömisch geltenden Tugenden, individu-
ellen und kollektiven Eigenschaften, Wertmaßstäben, Orientierungen und Verhal-
tensmaximen gelesen werden müssen, ist wohl eher als Teil eines zutiefst römischen
Diskurses zu verstehen60 - die ,Moral4 und die Botschaften drehen sich um virtus,
fortitude, sapientia, die schon in der ältesten Scipioneninschrift als typische Tugenden
eines nobilis genannt werden, und nicht zuletzt um^zeto, um Respekt vor göttlichem
und menschlichem Recht, vor hergebrachten und bewährten Normen, Regeln und
mores. Genau um diesen Respekt vor geltendem Recht und dem mos maiorum geht
es übrigens auch und gerade - gewissermaßen e contrario - in den Geschichten der
drei Fabier, die gegen das ius gentium verstoßen und damit die historische Verant-
wortung für den schwarzen Tag an der Allia zu tragen hatten, respektive des jungen
Rullianus, der gegen die typisch römische disciplina militaris versto&en und damit die
unbedingte Geltung des imperium eines Dictators, die tief eingerasteten Uber- und
Unterordnungsverhältnisse als Grundlage römischer Macht in Frage gestellt hatte.
Pictor thematisierte hier nicht nur die fatalen Folgen der audacia in Kombination mit
arroganter Siegesgewissheit wie in der Cremera-Episode, sondern auch und zugleich
die Ambivalenz des unbedingten und ungezügelten Strebens nach gloria auf dem
Schlachtfeld - und kontrastierte damit einerseits die moderatio und sapientia älterer
Fabier, etwa des Vaters des Rullianus bei seinem Appell an den Dictator, und hob
andererseits dabei zugleich zumindest indirekt und implizit den Wert klugen Abwä-
gens und besonnener Zurückhaltung hervor, für den sein gentilis Cunctator und seine
Strategie stehen sollten.
Damit sind wir bei dem konkreten historischen Kontext seines Werkes und seiner
Entstehung: Es ist auch und vor allem als Übung in Selbstverständigung und -Verge-
wisserung an die Adresse seiner eigenen peer group zu deuten, also der politisch-mili-
tärischen Elite - eine Übung, die auch als eine ganz konkrete und direkte Reaktion auf
die existentielle Führungs- und Legitimitätskrise dieser Elite nach den katastrophalen
Niederlagen am Trasimenischen See und bei Cannae sowie auf die daraus folgende
Herausforderung Roms als Hegemonialmacht in Italien verstanden werden muss.61
Zugleich stand Pictor damit am Anfang und gleich im Zentrum eines permanent
neu ver- und auszuhandelnden „Nobilitätsdiskurses“ über Werte und Normen, exem-
pla und Regeln, der nun auch in den folgenden Generationen im Medium der,litera-
rischen4 (Re-) Konstruktion der Geschichte Roms geführt werden sollte - und wieder

60 Siehe Beck {200p}, passim, auch zum folgenden, ferner Walter (2004), S. 239-255; E. Bispham/T. Cor-
nell, FRHist I, S. 168.

61 Siehe etwa Walter (2001), S. 261-262; Walter (2004), S. 232-233.
 
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