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Jonas Borsch
unterschiedlichen Gründen. Carrié, der sich in einer 2006 erschienenen Studie alleine
den Kaiserporträts zugewandt hat, fühlt sich in der seriellen Machart der Porträts an
die (illustrierten) Wappenschilder der Notitia Dignitatum erinnert, deren Einzelmo-
tive in der Forschung als rein generisch interpretiert worden sind?7 Treadgold, der in
seiner idiosynkratischen Untersuchung Malalas eigentlich flächendeckendes Plagi-
ieren unterstellt,28 hält gerade die Porträts für dessen eigenes Werk, weil Ähnliches
in den Fragmenten des angeblich aus derselben Quelle schöpfenden Johannes von
Antiochia nicht enthalten ist. Als Beweis führt Treadgold u.a. die geringe literarische
Qualität der Beschreibungen sowie die mangelnde Akkuratesse der mit ihnen ver-
bundenen Datierungen an.29 Diese Lösung entspricht einer Tendenz, die auch in der
frühen Quellenforschung zuweilen greifbar wird, nämlich derjenigen, literarisch als
minderwertig betrachtete Teile von Schriften als byzantinische Zusätze anzusehen,
die einer qualitativ hochwertigeren, aber leider verlorenen Vorlage erst nachträglich
,untergeschoben4 worden seien.
Die Diskussion, ob Malalas sich aus einer oder mehreren Quellen bediente, wie
diese zu identifizieren sein könnten oder ob er die einschlägigen Passagen ganz bzw.
zumindest zum Teil selbst erdichtet haben könnte, ist schwer zu führen. Für die erste
These fehlt das „Beweismaterial“ (z. c. die angeblichen direkten Vorlagen sind nicht
erhalten), während die zweite zwar aufgrund ihrer Einfachheit zunächst einleuch-
ten mag, aber eine allenfalls unzureichende Erklärung für die zahlreichen Parallelen
gibt, die sich für das schriftliche Porträtieren in der antiken Literatur finden lassen.
Mir scheint es vor diesem Hintergrund die beste Idee zu sein, die Frage nach dem
„Woher“ nicht so sehr als Quellenfrage zu stellen, sondern sie vielmehr aus einem
anderen Blickwinkel zu formulieren. Im Folgenden geht es daher vor allem um die
Voraussetzungen, unter denen physische Beschreibungen im Werk des Malalas nicht
nur auftauchen, sondern auch einen so zentralen Platz einnehmen und ihre charakte-
ristische asyndetisch-schematische Form annehmen konnten. Auf der vertikalen Zei-
tebene betrifft das vergleichbare Themen und Ideen in der antiken Literatur, auf der
horizontalen Ähnlichkeiten zu zeitgenössischen Werken sowie mögliche spezifisch
byzantinische Vorlieben.
27 Carrié (2006), hier: S. 199 mit Verweis auf Grigg (1983).
28 Demnach habe sich Malalas schamlos und ohne Kenntlichmachung bei Eustathios von Epiphania:
Vgl. Treadgold (2007), S. 246-256.
29 Treadgold (2007), S. 318. Die Lebensdaten der Kaiser von Diokletian bis Konstantin II. will Treadgold
allerdings gerade deswegen als von Ammian entliehen verstanden wissen.
Jonas Borsch
unterschiedlichen Gründen. Carrié, der sich in einer 2006 erschienenen Studie alleine
den Kaiserporträts zugewandt hat, fühlt sich in der seriellen Machart der Porträts an
die (illustrierten) Wappenschilder der Notitia Dignitatum erinnert, deren Einzelmo-
tive in der Forschung als rein generisch interpretiert worden sind?7 Treadgold, der in
seiner idiosynkratischen Untersuchung Malalas eigentlich flächendeckendes Plagi-
ieren unterstellt,28 hält gerade die Porträts für dessen eigenes Werk, weil Ähnliches
in den Fragmenten des angeblich aus derselben Quelle schöpfenden Johannes von
Antiochia nicht enthalten ist. Als Beweis führt Treadgold u.a. die geringe literarische
Qualität der Beschreibungen sowie die mangelnde Akkuratesse der mit ihnen ver-
bundenen Datierungen an.29 Diese Lösung entspricht einer Tendenz, die auch in der
frühen Quellenforschung zuweilen greifbar wird, nämlich derjenigen, literarisch als
minderwertig betrachtete Teile von Schriften als byzantinische Zusätze anzusehen,
die einer qualitativ hochwertigeren, aber leider verlorenen Vorlage erst nachträglich
,untergeschoben4 worden seien.
Die Diskussion, ob Malalas sich aus einer oder mehreren Quellen bediente, wie
diese zu identifizieren sein könnten oder ob er die einschlägigen Passagen ganz bzw.
zumindest zum Teil selbst erdichtet haben könnte, ist schwer zu führen. Für die erste
These fehlt das „Beweismaterial“ (z. c. die angeblichen direkten Vorlagen sind nicht
erhalten), während die zweite zwar aufgrund ihrer Einfachheit zunächst einleuch-
ten mag, aber eine allenfalls unzureichende Erklärung für die zahlreichen Parallelen
gibt, die sich für das schriftliche Porträtieren in der antiken Literatur finden lassen.
Mir scheint es vor diesem Hintergrund die beste Idee zu sein, die Frage nach dem
„Woher“ nicht so sehr als Quellenfrage zu stellen, sondern sie vielmehr aus einem
anderen Blickwinkel zu formulieren. Im Folgenden geht es daher vor allem um die
Voraussetzungen, unter denen physische Beschreibungen im Werk des Malalas nicht
nur auftauchen, sondern auch einen so zentralen Platz einnehmen und ihre charakte-
ristische asyndetisch-schematische Form annehmen konnten. Auf der vertikalen Zei-
tebene betrifft das vergleichbare Themen und Ideen in der antiken Literatur, auf der
horizontalen Ähnlichkeiten zu zeitgenössischen Werken sowie mögliche spezifisch
byzantinische Vorlieben.
27 Carrié (2006), hier: S. 199 mit Verweis auf Grigg (1983).
28 Demnach habe sich Malalas schamlos und ohne Kenntlichmachung bei Eustathios von Epiphania:
Vgl. Treadgold (2007), S. 246-256.
29 Treadgold (2007), S. 318. Die Lebensdaten der Kaiser von Diokletian bis Konstantin II. will Treadgold
allerdings gerade deswegen als von Ammian entliehen verstanden wissen.