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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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II. Memoria und Kaisertum
DOI Kapitel:
Borsch, Jonas: Schriftliche Bildnisse: Personalisierte Erinnerung in Malalas' Portäts
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0075
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Jonas Borsch

zusammenpasst.117 Die „Ansehnlichkeit“ im Orakel korrespondiert hingegen durchaus
mit den Hinweisen auf hohen Wuchs und guten Körperbau bei Malalas. Denkbar ist
auch, dass die silberne Stirn im Orakel ein ähnliches Altersmerkmal darstellt wie die
„graumelierten“ Haare in der Chronographia^ Gleichzeitig führt gerade diese vage
Eigenschaft aber auch den speziellen Charakter des sibyllinischen Textes mit seinen
numinosen Anspielungen vor Augen.119 Auf eben dieser Ebene ergibt sich schließlich
die deutlichste Parallele zwischen beiden Texten: Beide nämlich spielen auf asymmet-
rische Körpermerkmale (überlanger rechter Arm und ungleiche Pupillenfarbe) an, die
in der antiken Literatur mit ominösen bzw. apokalyptischen Vorstellungen verbunden
wurden.120 Diese Asymmetrie bildet in den Darstellungen des Anastasios seit Malalas
die Grundlage für den verbreiteten Beinamen ό δίκορος - „mit zwei (verschieden-
farbigen) Pupillen“. Wir haben es hier offensichtlich mit einer Eigenschaft zu tun, die
direkt auf die Interpretation des Anastasios als „Endzeitkaiser“ zurückgeht.121
Während für Justin m.W außer der Darstellung des Malalas keine weitere schrift-
liche Beschreibung existiert,122 ist Justinian in Prokops Anecdota ebenfalls mit einem
Porträt versehen worden. Die eigentlichen physischen Merkmale fallen hier betont
neutral aus:
τό μεν ούν σώμα ούτε μάκρος ούτε κολοβός άγαν, άλλα μέτριος ήν, ού
μέντοι ισχνός, άλλα κατά βραχύ εύσαρκος, τήν δε δή όψιν στρογγύλος
τε καί ούκ άμορφος· έπυρρία γάρ καί δυοΐν ήμέραιν άπόσιτος ών.
Er war weder groß noch klein, sondern von mittlerer Statur, nicht mager, eher et-
was beleibt, und hatte ein rundliches, gar nicht unangenehmes Gesicht; selbst nach
zweitägigem Fasten erschien er noch rosig.123
Ihre Tendenz offenbart diese Beschreibung erst im Folgenden Satz: „Wenn ich aber
sein Antlitz im Ganzen kennzeichnen soll, so glich er am ehesten Domitian [...]“.124
Der offenkundig invektive Charakter dieses Vergleiches wird noch durch den explizi-
ten Hinweis auf die damnatio memoriae unterstrichen, der Domitian anheimgefallen
war.125 Damit wischt Prokop eine mögliche positive Ausdeutung der Körpermerkmale
sogleich vom Tisch: Diese Merkmale haben seiner Interpretation zufolge offenbar
keinen hohen Aussagewert für den in den Anecdota als durch und durch schlecht be-
117 Wf Brandes (1997), S. 58. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich (Stirn-)glatze und kurze Haare
nicht kategorisch gegenseitig ausschließen.
118 Die grauen Haare eines Kaisers stehen bei Malalas für einen Regierungsantritt in hohem Alter: Vgl.
Carrié (2006), S. 200.
119 Vgl. die ähnlich verklausulierte Darstellung des Hadrian als άργυρόκρανος άνήρ in den Oracula
Sibyllina·. Alexander (1967), S. 37.
120 Vgl. Baldwin (1981), S. 16-17; Brandes (1997), S. 59 if.; Meier (2009), S. 59.
121 Im Orakel von Baalbek ist der Beiname δίκορος noch nicht bekannt: Brandes (1997), S. 58.
122 Malalas, Chronographia XVII1. Prokop (Historia arcana 6,3) verweist bloß auf seinen guten Körperbau.
Vgl. Baldwin (1981), S. 17.
123 Procopius, Historia arcana 8,12 (Übers. Veh 1961, S. 71).
124 Procopius, Historia arcana 8,13: όπως δε άπαν αυτού τό είδος συλλήβδην σημήνω, Δομετιανω
[...] έμφερέστερος ήν (Übers. Veh 1961, S. 71)·
125 Vgf Rubin (i960), S. 59; Baldwin (1981), S. 17-18; Leppin/Meier (2009), S. 298-299.
 
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