Hagiographie als Kaisermemorie - Kaiser Zenon in der Vita Danielis
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ganz offensichtlich benutzt und ist dann gelegentlich auch als bewusster Gegen-
entwurf zu verstehen.7
4. Die lateinische Überlieferung. Die lateinische Überlieferung könnte man zusätz-
lich in verschiedene Stränge aufteilen, was aber nicht nötig ist, weil sie nicht sehr
umfangreich ist. Sie überschneidet sich teilweise mit der byzantinischen und pro-
chalkedonensischen Überlieferung, setzt aber erstaunlich eigene Akzente.
Diese vier Hauptstränge sind nicht völlig isoliert voneinander überliefert, sondern
überkreuzen sich gelegentlich. Abhängigkeiten und Beeinflussungen dieser Haupt-
stränge der Überlieferung untereinander laufen durchaus auch quer zu diesen Haupt-
strängen.8
a. Die byzantinische Historiographie
Das 15. Buch der Weltchronik des Johannes Malalas9 behandelt die Epoche der Regie-
rung Zenons und beurteilt ihn relativ zurückhaltend, aber im Ganzen eher negativ: Der
Kaiser ist feige, gewinnt die Macht durch Verrat und ist ein brutaler Gewaltherrscher.10
Ob bei Malalas kirchenpolitische oder konfessionelle Gesichtspunkte irgendeine
Rolle spielen oder zumindest von ihm aufgenommen wurden, ist schwer zu beurteilen.11
Die überlieferten Fragmente der Βυζαντιακά des Malchos,12 wohl nicht lange
nach dem Tod Zenons im Jahre 491 verfasst,13 zeigen Zenon als unkriegerischen und
total unfähigen Kaiser, unter dem die Korruption blühte.14
Auch Johannes von Antiochia15 charakterisiert Zenon als geldgierigen Feigling,
der nach seiner Rückkehr auf den Thron grausam Rache nimmt und viele hinrichten
lässt.16
7 Die Historia ecclesiastica des Euagrios ist z.B. als Gegenentwurf zur miaphysitischen Darstellung der
Kirchengeschichte des Zacharias zu verstehen, s. unten.
8 Um diese Hauptstränge deutlich zu machen ist auf eine strikt chronologische Abfolge im Folgenden
verzichtet worden.
9 Malalas, Chronographia XV 1-16. Zu Johannes Malalas vgl. Jeffreys (1990); die Einleitung der Edition
von Thurn, S. 1-30; Thurn/Meier (2009), S. 1-37; Meier/Radtki/Schulz (2016).
10 Malalas, ChronographiaWt 2; 5; 16.
ii Vgl. Drecoll (2016). In Chronographia XV 6 zeigt Malalas allerdings gewisse antichalkedonensische
Tendenzen, indem er den Chalkedonanhänger Stephanos von Antiochia polemisch als ,Nestorianer'
bezeichnet. Im miaphysitischen Milieu wurden allgemein die Anhänger des Konzils von Chalkedon als
,Nestorianer' diffamiert. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass er diese Bezeichnung unkritisch aus
einer Quelle übernommen hat. Hübner (2007), S. 57, sieht - allerdings ohne weitere Begründung - Ma-
lalas traditionell als Monophysiten an.
12 Müller, FHG IV111-132; Blockley (1983), S. 402-462.
13 PLRE II, S. 703-704; Blockley (1981), S. 71-85.
14 Frag. 5; 16. Vgl. auch das bei Photius, Bibliotheca 79, überlieferte Exzerpt aus Candidus, Blockley (1983),
S. 464-471, der sein Historiographisches Werk etwa gleichzeitig mit Malchos verfasst haben muss.
15 Zu Johannes von Antiochia vgl. die Einleitung der Editionen von Roberto, S. XI-CCVI und Mariev,
S.3*-56*.
16 Fragm. 233-234. Mariev (= Fragm. 302-303 Roberto).
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ganz offensichtlich benutzt und ist dann gelegentlich auch als bewusster Gegen-
entwurf zu verstehen.7
4. Die lateinische Überlieferung. Die lateinische Überlieferung könnte man zusätz-
lich in verschiedene Stränge aufteilen, was aber nicht nötig ist, weil sie nicht sehr
umfangreich ist. Sie überschneidet sich teilweise mit der byzantinischen und pro-
chalkedonensischen Überlieferung, setzt aber erstaunlich eigene Akzente.
Diese vier Hauptstränge sind nicht völlig isoliert voneinander überliefert, sondern
überkreuzen sich gelegentlich. Abhängigkeiten und Beeinflussungen dieser Haupt-
stränge der Überlieferung untereinander laufen durchaus auch quer zu diesen Haupt-
strängen.8
a. Die byzantinische Historiographie
Das 15. Buch der Weltchronik des Johannes Malalas9 behandelt die Epoche der Regie-
rung Zenons und beurteilt ihn relativ zurückhaltend, aber im Ganzen eher negativ: Der
Kaiser ist feige, gewinnt die Macht durch Verrat und ist ein brutaler Gewaltherrscher.10
Ob bei Malalas kirchenpolitische oder konfessionelle Gesichtspunkte irgendeine
Rolle spielen oder zumindest von ihm aufgenommen wurden, ist schwer zu beurteilen.11
Die überlieferten Fragmente der Βυζαντιακά des Malchos,12 wohl nicht lange
nach dem Tod Zenons im Jahre 491 verfasst,13 zeigen Zenon als unkriegerischen und
total unfähigen Kaiser, unter dem die Korruption blühte.14
Auch Johannes von Antiochia15 charakterisiert Zenon als geldgierigen Feigling,
der nach seiner Rückkehr auf den Thron grausam Rache nimmt und viele hinrichten
lässt.16
7 Die Historia ecclesiastica des Euagrios ist z.B. als Gegenentwurf zur miaphysitischen Darstellung der
Kirchengeschichte des Zacharias zu verstehen, s. unten.
8 Um diese Hauptstränge deutlich zu machen ist auf eine strikt chronologische Abfolge im Folgenden
verzichtet worden.
9 Malalas, Chronographia XV 1-16. Zu Johannes Malalas vgl. Jeffreys (1990); die Einleitung der Edition
von Thurn, S. 1-30; Thurn/Meier (2009), S. 1-37; Meier/Radtki/Schulz (2016).
10 Malalas, ChronographiaWt 2; 5; 16.
ii Vgl. Drecoll (2016). In Chronographia XV 6 zeigt Malalas allerdings gewisse antichalkedonensische
Tendenzen, indem er den Chalkedonanhänger Stephanos von Antiochia polemisch als ,Nestorianer'
bezeichnet. Im miaphysitischen Milieu wurden allgemein die Anhänger des Konzils von Chalkedon als
,Nestorianer' diffamiert. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass er diese Bezeichnung unkritisch aus
einer Quelle übernommen hat. Hübner (2007), S. 57, sieht - allerdings ohne weitere Begründung - Ma-
lalas traditionell als Monophysiten an.
12 Müller, FHG IV111-132; Blockley (1983), S. 402-462.
13 PLRE II, S. 703-704; Blockley (1981), S. 71-85.
14 Frag. 5; 16. Vgl. auch das bei Photius, Bibliotheca 79, überlieferte Exzerpt aus Candidus, Blockley (1983),
S. 464-471, der sein Historiographisches Werk etwa gleichzeitig mit Malchos verfasst haben muss.
15 Zu Johannes von Antiochia vgl. die Einleitung der Editionen von Roberto, S. XI-CCVI und Mariev,
S.3*-56*.
16 Fragm. 233-234. Mariev (= Fragm. 302-303 Roberto).