Metadaten

Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
VI. Die Chronik als Memorialgattung
DOI Kapitel:
Scardino, Carlo: Historische und Theologische Diskurse in den Lateinischen Chroniken des 5. und 6. Jh. n. Chr.
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0269
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
208

Carlo Scardino

genannt (Germanipresbyteri Arabicae regionis exinde ad Gallaeciam venientis et aliorum
Graecorum relatione comperimus c. 106). Doch waren diese Gewährsmänner weder im-
stande mitzuteilen, wann Johannes und Hieronymus gestorben sind, noch wussten sie,
wer vor Juvenal die Nachfolge antrat (quo vero tempore sancti loannes, Hieronymus et
alii quos supra diximus, obierint, vel quis nomine loanni ante luvenalem successerit, sicut et
fecisse cognitum est in brevi seniorem quemdam, referentum sermo non edidit).
Doch beschränkt sich Hydatius nicht darauf, im Werk als Historiker aufzutreten,
der über seine Quellen und sein Material Auskunft gibt. Vielmehr ist er selbst eine
historische Figur. Nicht nur hat er als Kind in Jerusalem den Heiligen Hieronymus
getroffen (c. 40, vgl. praef. §3), sondern ist als Bischof auch eine handelnde Figur der
Chronik (c. 130), die sogar in Gefangenschaft geraten (c. 201) und nach drei Monaten
wieder freigelassen worden ist (c. 207).
Nicht nur in Bezug auf die Überleitungen und die methodologischen Überlegun-
gen variieren die einzelnen Werke, sondern, was bedeutender ist, auch in Bezug auf die
Auswahl, die Darstellung und die Wertung der erzählten Ereignisse.
3. Die Rolle der Barbaren
Im Gegensatz zur narrativen Geschichtsschreibung, die neben auktorialen Kommen-
taren und erklärenden Glossen auch direkte und indirekte Reden einsetzt, um das
politisch-militärische Geschehen zu deuten und dadurch die Rezeption zu lenken,
fehlen in den Chroniken in der Regel längere auktoriale Passagen und Exkurse, in
denen die tieferen Ursachen der Ereignisse und die Motive der handelnden Figu-
ren und Gruppen erklärt werden. Dies zeigt sich besonders eindrucksvoll angesichts
der durch die tiefe Krise ausgelösten Zerfallserscheinungen des Römischen Reiches,
deren Symptome zwar gezeigt, deren Ursachen aber nicht analysiert werden. Ein be-
deutendes Symptom sind dabei die Einfälle der Barbaren und ihre Landnahme im
ganzen Reich, welche die Chronisten dokumentieren. Indessen wird nirgends über die
tieferen Ursachen reflektiert, die dazu geführt haben.
Der Verfasser der Gallischen Chronik von 452 berichtet über die Einfälle der Bar-
baren, die er, eine Metapher verwendend, mit der ungestümen Gewalt eines Sturms
vergleicht (saeva ... tempestas c. 50). Er betont auch ihre Wildheit (rabies), die Gallien
zu zerfleischen begann (c. 55). Er weist auf die Zerstörungswut und die Plünderungen
hin, etwa des Gotenkönigs Radagaisus, der Italien zu verwüsten trachtete (vastaturus
c. 51, vgl. auch c. 63). Die Barbaren überwinden alle natürlichen Hindernisse (wie z.B.
die Alpen c. 67) und erscheinen als eine Plage, die wie Naturkatastrophen nicht ver-
hindert werden können, sondern plötzlich über das Römische Reich hereinbrechen.
Die Auswirkungen der Handlungen der Barbaren sind negativ, so beim Sturm Ala-
richs auf Rom, das unter den Plünderungen sehr litt (Roma depraedationi Gothorum
foedissime patuit c. 65), und der Vandalen gegen Karthago, das nach der Eroberung
„zum beklagenswerten Unglück und Schaden die Oberherrschaft des Römischen
Reichs abgeworfen“ hat (lacrimabili clade et damno imperii Romani potentiam deiecit
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften