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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Editor]; Gengler, Olivier [Editor]; Meier, Mischa [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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VI. Die Chronik als Memorialgattung
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Gastgeber, Christian: Klassisch-paganes Erbe: Was bleibt in der memoria der Weltchronik? Memorialkultur des Chronicon Paschale
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0290
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Klassisch-paganes Erbe: Was bleibt in der memoria der Weltchronik?

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Die pagane Geschichte erfüllt in diesem Werk hauptsächlich den Zweck, als Da-
tierungsabfolge und chronologische Konkordanz zu dienen. Der Versuch, Ereignisse
anhand des Wirkens der Tyche oder besonderer Aretai (bzw. Pathe) zu erklären und
damit Muster des Handelns zu bieten, wird gar nicht erst unternommen. Und doch
finden sich - mit der Hauptquelle Malalas für die pagane Geschichte - gelegentlich
recht umfangreiche Anleihen, allen voran zu Kronos und Zeus sowie zur Gründungs-
geschichte Roms. Uber mehrere Seiten wird - das annalistische Schema durchbre-
chend - aus der Vorgängerchronik zitiert, und zwar tale quale, der Text wird - soweit
prüfbar - weder sprachlich noch stilistisch revidiert bzw. angepasst (selbst Vulgaris-
men können dabei neben den klassischen Formen auftreten; lateinische Fremdworte
werden kommentarlos übernommen, auch in Fällen, wo berechtigter Zweifel besteht,
ob der Kompilator diese auch wirklich verstanden hat; mitunter treten sogar Schreib-
varianten desselben Wortes auf, ohne dass eine Endrevision versucht hätte, diese zu
vereinheitlichen).8 Darin trifft sich diese Zitierweise mit den sonstigen Zitaten in der
Osterchronik: als ein reines Mosaik von Quellen, die verbatim und unkommentiert
kopiert werden. Da also eine selbständige Be- oder Überarbeitung nicht der Inten-
tion des Autors entsprach, ist man bei inserierten Zitaten mit einem großen Problem
konfrontiert: Was ist der Parameter, der ein Zitat als genuinen Bestandteil des Chro-
nicon Paschale erkennbar macht? Die Antwort ist ernüchternd: Es gibt einen solchen
Parameter nicht, und jedes Zitat, gerade für die pagane Geschichte, dessen Narrativ
a priori - d.h. zu Datierungsangaben - nicht im Hauptinteresse des Autors lag, kann
ebenso vom Autor stammen wie von einem späteren Bearbeiter ergänzt sein. Gäbe es
unmittelbar nachfolgende Benützer des Chronicon Paschale, die ein Textstratum zeit-
lich genau fixieren ließen, wäre man schon auf sicherem Boden, doch dies fehlt; und
so bleibt einzig der codex unicus vom Ende des 10. Jahrhunderts, und dazwischen die
hypothetische Bandbreite von einer „ursprünglichen“ Version {cum grano salis, wenn
man die oben beschriebene Erweiterung in Betracht zieht) bis zu einer (in unbe-
stimmten Grad durchgeführten) Befüllung der Jahresabfolgen mit zusätzlichen Daten
oder sogar Narrativen im Sinne eines annalistischen open text? Dass es ganz gewiss
Eingriffe gegeben hat, zeigen Korrekturen, die für den Osterberechnungsteil nachzu-
weisen sind.10 Die Berechnungen des Autors entsprachen nicht mehr dem aktuellen
Analyse wird in der eingangs erwähnten Spezialstudie zur Osterchronik erfolgen. Siehe dazu auch
Mosshammer (2008) 378-311 (die bisherige Diskussion zusammenfassend).
8 Dies ist eine der Herausforderungen für die neue Edition: Wo darf man noch eingreifen, weil ein Feh-
ler in der handschriftlichen Überlieferung vorliegt, und wo hat der Autor selbst beim Kompilieren
einfach seine Quelle wortgetreu abgeschrieben und waren Varianten schon von diesem Stratum her
gegeben?
9 Hier nicht leserbezüglich und interpretatorisch im Sinne Umberto Ecos (1979) verstanden, sondern als
physische Einheit, die als „öffentlicher Text“ jederzeit Erweiterungen und Ergänzungen erfahren
durfte, wenn sich solche ergänzenden Angaben den Nucleus sinnvoll erweiternd einfügten (idealer-
weise in der Chronistik und Annalistik); diese Änderungen können immer auch intentional Teile des
bestehenden Nucleus verändern (wie im Falle des Chronicon Paschale bei der Anpassung der Rechen-
beispiele).
10 Schwartz (1899), Sp. 2473-2475; Beaucamp/Bondoux/Lefort/Rouan/Sorlin (1979), S. 276-283; Moss-
hammer (2008), S. 278-316, bes. S. 287-288,308-310.
 
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