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20 Versuch einer Selbstkritik

auf markante Texte des jungen Goethe. In einem nachgelassenen Notat des
Jahres 1871 erwog er sogar, als „Schluß der Einleitung“ von GT folgende Stro-
phe von Wandrers Sturmlied, des extremsten lyrischen Sturm- und Drang-Tex-
tes, zu wählen:
Den du nicht verlässest, Genius,
Wirst ihn heben übern Schlammpfad
Mit den Feuerflügeln;
Wandeln wird er
Wie mit Blumenfüßen
Über Deukalions Fluthschlamm,
Python tödtend, leicht, groß,
Pythius Apollo (NL 1871, KSA 7, 13[1], 371, 1-9).
In GT selbst zitiert er die Schlußstrophe des berühmtesten und revolutionärs-
ten Sturm- und Drang-Gedichts des jungen Goethe: der Hymne Prometheus,
deren Rollen-Ich sich mit dem mythischen Heros identifiziert und ihn mit einer
Absage an die traditionelle Religion als Tabubrecher inszeniert:
Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu geniessen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich! (GT 9; 67, 26-32).
Auch greift N. in GT immer wieder auf die im Sturm und Drang topologisch
fixierte Opposition von „Genie“ und „Gelehrtem“ zurück, die in der Anfangs-
partie des Faust ihren bekanntesten Ausdruck gefunden hatte. Zum zeitgenös-
sischen Kontext dieser Reinszenierung des Sturm und Drang vgl. NK 128,
27-33.
13, 32-14,1 bei Richard Wagner ein bewiesenes Buch] Richard und Cosima
Wagner sandten begeistert zustimmende Briefe an N. Anfang Januar 1872
schrieb Wagner: „Schöneres als Ihr Buch habe ich noch nichts gelesen! Alles
ist herrlich!“ (KGB II 2, Nr. 256, S. 493); am 10. Januar folgte sodann ein Brief,
in dem es heißt: „Nun veröffentlichen Sie eine Arbeit, welche ihres Gleichen
nicht hat. Jeder Einfluss, der etwa auf Sie ausgeübt worden wäre, ist durch
den ganzen Charakter dieser Arbeit fast auf Nichts zurückgeführt: was Ihr Buch
vor allen anderen auszeichnet ist die vollendete Sicherheit, mit welcher sich
 
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