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Stellenkommentar GT Versuch, KSA 1, S. 13-14 21

eine tiefsinnigste Eigentümlichkeit darin kundgiebt. Wie anders hätte sonst
mir und meiner Frau der sehnlichste Wunsch erfüllt werden können, einmal
von aussen Etwas auf uns zutreten zu sehen, das uns vollständig einnehmen
möchte?“ (KGB II 2, Nr. 261, S. 504).
14, If. Buch, ich meine ein solches, das jedenfalls „den Besten seiner Zeit“
genug gethan hat.] Vgl. Schillers Wallenstein, Prolog, V. 48 f.: „Denn wer den
Besten seiner Zeit genug / Getan, der hat gelebt für alle Zeiten“.
14, 9-11 die Wissenschaft unter der Optik des Künstlers zu
sehn, die Kunst aber unter der des Lebens ...] Die Wissenschaft soll
insofern unter der Optik des Künstlers gesehen werden, als Wissenschaft ein
Ausdruck des bloß Verstandesmäßigen und eines abstrakten Denkens ist und
der schöpferisch-intuitiven Wahrnehmung und Gestaltung durch den Künstler
nachsteht; die Kunst insofern unter der Optik des Lebens, als „Leben“ der
höchste Wert ist, den die Kunst - mit der vor allem die Musik gemeint ist -
durch die von ihr erzeugten Intensitäten fördert.
14, 18f. misstrauisch selbst gegen die Schicklichkeit des Beweisens]
Schicklichkeit meint hier Angemessenheit (im Sinne des aptum), gegen die ein
den Grundpositionen von GT entsprechender Vorbehalt besteht: Beweisen als
wissenschaftliches Verfahren ist einem Werk, das die Wissenschaft zugunsten
der „Kunst“ abwertet, nicht adäquat. Schopenhauer hatte immer wieder den
Glauben der Wissenschaft an das „Beweisen“ kritisiert, so in Die Welt als Wille
und Vorstellung I, 7: „Wie der Fonds oder Grundgehalt jeder Wissenschaft nicht
in den Beweisen, noch in dem Bewiesenen besteht, sondern in dem Unbewie-
senen, auf welches die Beweise sich stützen und welches zuletzt nur anschau-
lich erfaßt wird; so besteht auch der Fonds der eigentlichen Weisheit und der
wirklichen Einsicht jedes Menschen nicht in den Begriffen und dem Wissen in
abstracto, sondern in dem Angeschauten und dem Grade der Schärfe, Richtig-
keit und Tiefe, mit dem er es aufgefaßt hat“ (Frauenstädt, Bd. 2, S. 83). Diese
Lehre Schopenhauers steht in der Tradition des Aristoteles. Dieser hatte in
seinen Analytiken (Analytica priora und Analytica posteriora) die Bildung des
beweisenden Schlusses im syllogistischen Verfahren analysiert (daher die
Bezeichnung ,Analytica4) und in den Analytica posteriora die Lehre vom Beweis
entwickelt. Er statuiert, daß alles Lehren und Lernen auf schon vorhandenem
Wissen basiert und am Anfang selbstevidente Sätze stehen: allgemeine
Axiome.
14, 22 für Blutsverwandte in artibus] Für Blutsverwandte in der Sphäre der
Künste.
14, 23 f. profanum vulgus] Vgl. Horaz, carmina III, 1, 1: „Odi profanum volgus
et arceo“ - „ich hasse den gemeinen Pöbel und halte ihn fern“.
 
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