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24 Versuch einer Selbstkritik

des „Hässlichen und Grässlichen“ (KSA 6, 428, 17 f.). Insofern stehen die auf
die „älteren Hellenen“ projizierten Ausführungen über das Häßliche und Böse
(letzteres erinnert an Baudelaires Fleurs du mal) im Horizont der zeitgenössi-
schen Ästhetik. Die Paradoxie der vorausgehenden Frage, ob das „Verlangen
nach Schönheit“ aus dem „Schmerz“ komme, reicht nahe an Baudelaires Titel-
formulierung Fleurs du mal heran („mal“ ist im Französischen nicht nur das
„Böse“, sondern auch das schmerzhaft empfundene Übel). Ebenfalls ist die
Paradoxie der Frage, ob das „Verlangen nach dem Hässlichen“ der „Lust“ ent-
springe, der in dieser modernen Ästhetik ausgeprägten Vorliebe für das Para-
doxe geschuldet. Als Aussagen über die „älteren Hellenen“ sind N.s insinuie-
rende Vermutungen schon deshalb problematisch, weil sie den ältesten und
berühmtesten der „älteren Hellenen“, Homer, ausklammern, ebenso Pindar,
die ionischen Naturphilosophen u. a. Die Analogisierung des (modernen) „Pes-
simismus“ mit dem „tragischen Mythus“ ist wiederum ein Anachronismus.
16, 8 f. jener Wahnsinn, aus dem die tragische wie die komische Kunst erwuchs,
der dionysische Wahnsinn?] Dionysos ist zwar auch der Gott der Ekstase und
des Wahnsinns, daß aber gerade aus dem dionysischen „Wahnsinn“ die tragi-
sche wie die komische Kunst erwuchs, ist nirgends überliefert. In der vieldisku-
tierten Aussage der Aristotelischen Poetik (1449a) über den Ursprung der Tra-
gödie und der Komödie aus dem Dionysoskult steht lediglich, die Tragödie
sei wie die Komödie aus den Improvisationen derjenigen entstanden, die das
Tanzlied zu Ehren des Dionysos, den Dithyrambus aufführten.
16,11 f. Giebt es vielleicht - eine Frage für Irrenärzte - Neurosen der Gesund-
heit?] Das auch im Folgenden zu beobachtende Interesse für Pathologisches,
insbesondere für Nervenreizungen ist typisch für N.s letzte Jahre. In der Tragö-
dienschrift finden sich allerdings schon erste Spuren davon. Vgl. 36, 14-16
sowie den Kommentar hierzu.
16,14-16 Aus welchem Selbsterlebniss, auf welchen Drang hin musste sich der
Grieche den dionysischen Schwärmer und Urmenschen als Satyr denken?] In der
ersten Fassung heißt es: „Eine der schwersten psychologischen Fragen: aus
welchem Bedürfnisse erfand der Grieche sich den Satyr? Auf welche Erleb-
nisse hin? Endemische Entzückungen, bei denen eine ganze Gemeinde den
Gott schaut, den sie erdichtet und anruft: das scheint allen alten Culturen
gemein zu sein (die Hallucination, als die Maler-Urkraft, sich der Gemeinde
übertragend); die Prozeduren, um zu einer solchen Höhe sinnlicher und anbe-
tender Aufregung zu kommen“ (KSA 14, 45).
16, 23-25 wenn es gerade der Wahnsinn war, um ein Wort Plato’s zu gebrau-
chen, der die grössten Segnungen über Hellas gebracht hat?] Platon, Phaidros
 
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