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I Überblickskommentar

Entstehung und Druckgeschichte
N.s Erstlingswerk erschien Anfang des Jahres 1872 unter dem Titel Die Geburt
der Tragödie aus dem Geiste der Musik mit einem Vorwort an Richard Wagner.
Es entstand nicht in einem Zuge, sondern auf weiten Strecken aus verschiede-
nen Texten, die N. dann synthetisierte. Während des Entstehungsprozesses
kam es auch zu konzeptionellen Verschiebungen und Überformungen. Bereits
vor den Vorträgen und Abhandlungen, die N. ganz oder teilweise in das Werk
integrierte, läßt sich das leitende Interesse und auch die grundlegende Orien-
tierung an Wagner und Schopenhauer aus N.s Beschäftigung während seiner
Leipziger Studentenzeit (Winter 1868/69) erkennen. In einem Brief vom 4. Mai
1869 schrieb der Leipziger Freund Heinrich Romundt an N. (KGB II 2, Nr. 3,
S. 8, 32-39): „Es tönt wie eine schöne halbverklungene Sage von vergangenem
und wiedererstandenem Pessimismus, vom Drama der Zukunft, in dem Sopho-
cles wiedergeboren wird und Laube aus dem Tempel treibt unter unserm
begeisterten Zuruf, von der Musik als dem Schlüssel aller Kunstphilosophie,
von Richard Wagner und Arthur Schopenhauer und von unzähligem Anderem
zu mir herüber“.
Nach seiner Ernennung zum außerordentlichen Professor der Klassischen
Philologie an der Universität Basel und zum Lehrer der griechischen Sprache
in der obersten Klasse des Pädagogiums am 10. Februar 1869 teilte N. dem
Freund Carl von Gersdorff in einem Brief vom 28. September 1869 mit, er plane
„zwei öffentliche Reden“ zu halten, und zwar „über die Aesthetik der griech.
Tragiker zb. über das antike Musikdrama“, und er fügte hinzu: „Wagner wird
dazu aus Tribschen herüber kommen“ (KSB 3, Nr. 32, S. 60, Z. 23-26). Diesen
beiden Vorträgen, die er am 18. Januar und am 1. Februar 1870 im Basler
Museum hielt, gab er die Titel Das griechische Musikdrama (KSA 1, 515-532)
und Socrates und die Tragoedie (KSA 1, 533-549). Erst viel später wurden sie
aus seinem Nachlass veröffentlicht (Erstdrucke: Leipzig 1926 und 1927). Sie
enthalten bereits zwei thematische Schwerpunkte der Geburt der Tragödie: der
erste Vortrag die Auffassung der griechischen Tragödie als „Musikdrama“ im
Sinne Wagners, der zweite den Untergang der Tragödie durch den vom sokrati-
schen Rationalismus bestimmten Euripides. Schon bald darauf zeichnet sich
eine umfassendere Konzeption ab. Am 28. März 1870 schreibt er an seinen
Leipziger Lehrer Friedrich Ritschi, dessen Empfehlung er noch vor Promotion
und Habilitation den Ruf nach Basel verdankte, er fühle „überall in Grundan-
schauungen usw ein Wachsen [...], das mir eine gute Frucht verkündet“ (KSB 3,
 
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