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Stellenkommentar GT 1, KSA 1, S. 25 97

kunst mit Musik verbindet. Den anderen Dichtergott, Dionysos, begleitet Flö-
tenmusik (unter dem Sammelbegriff „Flöte“, Aulös, verstanden die Griechen
auch Klarinetten und ähnliche Blasinstrumente). Sie galt in der Antike als
rauschhaft-verführerisch und als spezifisch orientalisch, weshalb sie zum Auf-
zug des aus dem Orient kommenden Wein- und Rauschgottes Dionysos ertönte.
Charakteristisch unterschieden sich auch die Gesänge zu Ehren des Apollon
und des Dionysos, welche die kultischen Tanzriten begleiteten. Das griechische
Wort chorös bezeichnet nicht nur wie unser „Chor“ einen Gesang, sondern
Gesang und Tanz in einem. Zu Ehren des Apollon wurde das Paiän-Lied gesun-
gen und getanzt, zu Ehren des Dionysos der Dithyrambos. Er war von ihm
rauschhaft inspiriert, wie es schon im ältesten Zeugnis heißt, in einem Frag-
ment des Archilochos, das für N. im 5. und 6. Kapitel seiner Tragödienschrift
von Bedeutung war. Einer der vielen Beinamen des Dionysos selbst lautet sogar
,Dithyrambos4. Für N.s Tragödienschrift gewann der Dithyrambos nicht nur
besonderes Interesse, weil er zum Dionysoskult, sondern auch, nach dem Zeug-
nis des Aristoteles (Poetik 1449a), in die Ursprungssphäre der Tragödie gehörte.
Gattungsgeschichtlich war Dionysos als Gott der Dichtung ungleich bedeuten-
der als Apollon, denn aus seinem Kult entsprang sowohl der Dithyrambos als
auch die Komödie und die Tragödie, und diese Dichtungsformen blieben fest
mit seinem Kult verbunden. Am ersten Tag der Großen Dionysien, des bedeu-
tendsten Frühlingsfestes zu Ehren des Dionysos, fand in Athen als Auftakt ein
Dithyramben-Wettkampf miteinander konkurrierender Chöre statt. Am zweiten
Tag wurden fünf Komödien aufgeführt. Am dritten, vierten und fünften Tag
gipfelte das große Dionysosfest in der Aufführung je einer tragischen Tetralo-
gie, die aus drei Tragödien und einem abschließenden Satyrspiel bestand.
N. konnte seine Kenntnis der auf Apollon und auf Dionysos bezogenen
„Musik“ sowohl aus den antiken Texten selbst wie aus zeitgenössischen Dar-
stellungen gewinnen. In einem der von ihm herangezogenen Werke, in Karl
Otfried Müllers Darstellung Die Dorier, die N. aus der Bibliothek der Landes-
schule Pforta entliehen hatte (1863-69), konnte er lesen, Apollon sei der Vor-
stand „einer strengen, einfachen, ruhigen Hellenischen Musik“ gewesen, die
sich im „Kampf“ mit dem dionysischen Wesen befunden habe. Müller gibt
kaum mehr als ein fernes Echo von Plutarchs schon zitierter Schrift Über das
E in Delphi, in der es heißt:
Und sie singen dem einen [dem Dionysos] dithyrambische Gesänge, voll von Leidenschaft
und Wechsel, Schwanken und Wirrnis - ,mit wechselndem Klang“ sagt Aischylos ,soll der
Dithyrambos mitschwärmend Dionysos begleiten“ -, dem andern [dem Apollon] den
Paian, einen wohlgeordneten, zuchtvollen Gesang; und diesen Gott stellen sie nie alternd
und ewig jung, jenen in vielen Gestalten und Formen auf Gemälden und in plastischen
Werken dar. Und überhaupt schreiben sie dem einen Gleichmäßigkeit, Ordnung und lau-
 
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