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Stellenkommentar GT 1, KSA 1, S. 25 99

Begründung der Gesetze des Lebens durch Dualismus und Polarität (1802) das
„Geheimnis der Generation“. Der Schellingschüler Ludwig Oken verfaßte eine
in dieser Denkbahn fortfahrende Monographie Die Zeugung (1805). Wagner
übernahm in seiner Schrift Oper und Drama auf weiten Strecken und leitmoti-
visch diese Metaphorik. Ihm folgt N. in seiner Tragödienschrift. Vgl. 49, 6 f.
25, 9-12 Diese Namen entlehnen wir von den Griechen, welche die tiefsinnigen
Geheimlehren ihrer Kunstanschauung zwar nicht in Begriffen, aber in den ein-
dringlich deutlichen Gestalten ihrer Götterwelt dem Einsichtigen vernehmbar
machen.] In diesem Satz geht das am Anfang exponierte Plädoyer für die
unmittelbare Sicherheit der „Anschauung“ zur „Kunstanschauung“ über. In
der Vorstufe Die dionysische Weltanschauung ist im sonst weitgehend gleichen
Satz nicht von „Kunstanschauung“, sondern von „Weltanschauung“ die Rede
(KSA 1, 553, 2). Ebenso wie die Abwertung bloßer „Begriffe“ gegenüber der
„Anschauung“ geht das Verständnis der „Einsichtigen“ auf Schopenhauers
Definition der „Einsicht“ zurück. Dieser schreibt: „Die Anschauung ist
nicht nur die Quelle aller Erkenntniß, sondern sie selbst ist die Erkenntniß
koit’ e^oxrv, ist allein die unbedingt wahre, die ächte, die ihres Namens voll-
kommen würdige Erkenntniß: denn sie allein ertheilt eigentliche Einsicht,
sie allein wird vom Menschen wirklich assimilirt, geht in sein Wesen über und
kann mit vollem Grunde sein heißen; während die Begriffe ihm bloß
ankleben“ (Die Welt als Wille und Vorstellung II, Erstes Buch, Kapitel 7: ,Vom
Verhältniß der anschauenden zur abstrakten Erkenntniß4; Frauenstädt, Bd. 3,
S. 83).
25, 10 f. die tiefsinnigen Geheimlehren ihrer Kunstanschauung] Mit den
Geheimlehren meint N. nicht die Dionysos-Mysterien (vgl. die Erläuterungen
zu 30, 15; 72, 11-20; 72, 25-29; 88, 4-8), sondern die allegorisch-mystischen
Mythen-Auslegungen vor allem der Neuplatoniker, in deren Geist Georg Fried-
rich Creuzer seine Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Grie-
chen verfasst hatte.
25, Hf. zwar nicht in Begriffen, aber in den eindringlich deutlichen Gestalten
ihrer Götterwelt] Variierende Fortführung der in 25, 4 gegenüber dem logisch-
begrifflichen Denken hervorgehobenen Bedeutung einer „unmittelbaren
Sicherheit der Anschauung“. Zu Schopenhauer als Quelle vgl. die im Kommen-
tar zu 25, 4 angeführten Stellen. Vgl. auch 103, 33 f. In der bald nach der Tragö-
dienschrift entworfenen Abhandlung Ueber Wahrheit und Lüge im aussermora-
lischen Sinne wertet N. abstrakte Begriffe grundsätzlich ab. In Menschliches,
Allzumenschliches II distanziert er sich von dem in GT geradezu kultivierten
Verfahren, in Bildern und Gleichnissen zu sprechen: „Gegen Bilder und
Gleichnisse. - Mit Bildern und Gleichnissen überzeugt man, aber beweist
 
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