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112 Die Geburt der Tragödie

istischen Strömung, die am bündigsten Goethe in einem Altersgedicht mit dem
programmatischen Titel Eins und Alles auf den Nenner brachte. In GT 21 und
22 exemplifiziert N. nicht zufällig an Tristan und Isolde das Verhältnis des Dio-
nysischen zum Apollinischen, indem er es nochmals mit dem Verhältnis von
„Wille“ und „Vorstellung“ und außerdem mit dem Verhältnis von Musik und
Wort analogisiert. Dabei assoziiert er wiederum den Schleier der Maja: Er
spricht von der „Umschleierung der eigentlichen dionysischen Wirkung“ durch
die „apollinische Täuschung“ (139, 27-30). - Zum Thema: Dieter Borchmeyer:
„... sehnsüchtig blicke ich oft nach dem Land Nirwana ...“. Richard Wagners
buddhistisches Christentum. In: Wagnerspectrum (2007), Heft 2, 15-34. Volker
Mertens: „Göttliches Gangesland“. Die „Indomanie“ der Romantik und Richard
Wagner. In: Wagnerspectrum (2007), Heft 2, 55-83.
28, 12-17 „Wie auf dem tobenden Meere [...] principium individuationis“.] N.
zitiert nach der 1859 in Leipzig erschienenen Auflage der Welt als Wille und
Vorstellung. In seiner Bibliothek hatte er später eine andere Ausgabe: Schopen-
hauer, Sämtliche Werke, hg. von Julius Frauenstädt, 6 Bde, Leipzig 1873/74. Im
Folgenden (28, 21; 28, 30; 33, 2) exponiert er noch mehrmals das „principium
individuationis“, das Schopenhauer in Anlehnung an den Spruch des Anaxi-
mander (vgl. den Kommentar zu 30, 1 f.) und an buddhistische Denkformen zu
einem Schlüsselbegriff erhoben hatte.
28, 24-28 An derselben Stelle hat uns Schopenhauer das ungeheure Grausen
geschildert, welches den Menschen ergreift, wenn er plötzlich an den Erkenntniss-
formen der Erscheinung irre wird, indem der Satz vom Grunde, in irgend einer
seiner Gestaltungen, eine Ausnahme zu erleiden scheint.] Weitgehend wörtlich
nach Schopenhauer: „Aus dieser Ahndung stammt jenes so unvertilgbare und
allen Menschen [...] gemeinsame Grausen, das sie plötzlich ergreift, wenn
sie, durch irgendeinen Zufall, irre werden am principio individuationis, indem
der Satz vom Grunde, in irgendeiner seiner Gestaltungen, eine Ausnahme zu
erleiden scheint: z. B. wenn es scheint, daß irgend eine Veränderung ohne
Ursache vor sich gienge, oder ein Gestorbener wieder da wäre oder sonst
irgendwie das Vergangene oder das Zukünftige gegenwärtig, oder das Ferne
nah wäre. Das ungeheure Entsetzen über so etwas gründet sich darauf, daß
sie plötzlich irre werden an den Erkenntnißformen der Erscheinung, welche
allein ihr eigenes Individuum von der übrigen Welt gesondert halten.“ (Die
Welt als Wille und Vorstellung I, 4. Buch, § 63, Frauenstädt, Bd. 2, S. 417).
28, TI Satz vom Grunde] In seiner Dissertation Über die vierfache Wurzel des
Satzes vom zureichenden Grunde (1813) modifizierte Schopenhauer Kants
Erkenntnistheorie, indem er die von diesem statuierten vier Hauptkategorien
der Vernunfterkenntnis (Quantität, Qualität, Relation, Kausalität) auf eine ein-
 
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