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Stellenkommentar GT 2, KSA 1, S. 31-32 127

homerischen Gesänge gleicht gar sehr einem solchen Herumgehen, indem sie
uns immer bei dem Vorliegenden festhalten und das Vorhergehende und Nach-
folgende verschwinden lassen“ (August Wilhelm Schlegel: Kritische Schriften
und Briefe, hg. von Edgar Löhner, Stuttgart 1962 ff., Bd. V/VI: Vorlesungen über
dramatische Kunst und Literatur, Bd. V, 1966, S. 69 f.).
31, 27-29 in einem tieferen Sinne als wenn der moderne Mensch sich hinsicht-
lich seines Traumes mit Shakespeare zu vergleichen wagt.] Hierzu: Aus Schopen-
hauers handschriftlichem Nachlass, 1864, S. 369: „ein grosser Dichter, z. B.
Shakespeare ist ein Mensch, der wachend thun kann, was wir Alle im Traum“.
31, 31-33 die ungeheure Kluft [...] welche die dionysischen Griechen von
den dionysischen Barbaren trennt.] Der Gegensatz zwischen der edlen dionysi-
schen Verfassung der Griechen und der dionysischen Maß- und Sittenlosigkeit
des Orients ist ein Topos in den Darstellungen des 19. Jahrhunderts. N. expo-
niert ihn schon in seiner Tragödienvorlesung vom Sommersemester 1870, in
der er bei den orientalischen Formen des Dionysosfestes wilde Ausschweifun-
gen, bei den griechischen Bakchen dagegen die „Muster edler Sittsamkeit“
erkennen will (KGWII3,13 f.): „Man bewundert am meisten die That des Helle-
nenthums in der Vergeistigung der Dionysosfeier, wenn man vergleicht, was
aus gleichem Ursprünge bei den andren Völkern entstanden“. Dies ist noch ein
Erbe des klassizistisch idealisierten Griechenbildes, obwohl doch bereits Georg
Friedrich Creuzer in seiner Symbolik und Mythologie die orientalischen Züge
auch des griechischen Dionysos betont hatte und Euripides’ Bakchen die
gehaltvollste Quelle sind, in der sowohl die Herkunft des Dionysos aus dem
Orient (im Prolog und im Einzugslied) wie auch das Maßlose und sogar Zerstö-
rerische seines Wirkens zum Ausdruck kommt. N. wird in seiner Darstellung
dem Gesamtgeschehen nicht gerecht, indem er eine einzelne, von einem Boten
berichtete Szene der Bakchen isoliert: „alles“, so notiert er für seine Tragödien-
vorlesung, „ist ekstatisch und dabei doch würdevoll edel. Dies ist der schärfste
Gegensatz zur asiatischen Ausbildung des Dionysienfestes“ (KGW II 3, 14). In
den Vorstufen zu GT verschärft N. immer mehr das negative Bild des Orients
am Beispiel des dortigen Dionysoskults.
31, 33-32,1 Aus allen Enden der alten Welt [...] von Rom bis Babylon können
wir die Existenz dionysischer Feste nachweisen] Pauschalisierung der in N.s
Vorlesung Einleitung in die Tragödie des Sophocles (Sommersemester 1870)
noch im Einzelnen und eher katalogartig aufgeführten Feste: „Solche Feste
sind uralt u. überall nachweisbar, in Babylon unter dem Namen der Sakaeen.
Die volle Freiheit der Natur wurde durch 5 Tage hindurch wiederhergestellt,
alle staatlichen u. sozialen Verhältnisse gebrochen. Ein grosses Freiheits- und
Gleichheitsfest, an dem die dienenden Stände ihr ursprüngliches Recht
 
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