Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Stellenkommentar GT 7, KSA 1, S. 52-54 177

theus teil. N. mißversteht hier und im Folgenden mit polemischer Absicht
A. W. Schlegels Aussagen zum Chor. Vgl. die Schlegel-Zitate im Kommentar zu
52, 17-26.
54,10 f. der Chor an sich, ohne Bühne, also die primitive Gestalt der Tragödie]
Das Wort „primitiv“ ist hier nicht abwertend, sondern positiv im Sinne von
„ursprünglich“ gemeint.
54, 21-26 Eine unendlich werthvollere Einsicht über die Bedeutung des Chors
hatte bereits Schiller in der berühmten Vorrede zur Braut von Messina verrathen,
der den Chor als eine lebendige Mauer betrachtete, die die Tragödie um sich
herum zieht, um sich von der wirklichen Welt rein abzuschliessen und sich ihren
idealen Boden und ihre poetische Freiheit zu bewahren.] Schillers Prolog zur
Braut von Messina trägt den Titel: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie.
N. zitiert hier wörtlich aus Schillers Prolog, ohne aber darauf hinzuweisen, daß
Schiller sich nicht auf die griechische, sondern auf die moderne Tragödie
bezieht, wie er sie in der Braut von Messina gestalten wollte. Nur die „lebendige
Mauer“ dieses modernen Chors sollte die Kunstwelt des Dramas gegen die
Wirklichkeit abgrenzen. Dagegen sah Schiller im Chor der griechischen Tragö-
die ein „natürliches Organ, er [der antike Chor] folgte schon aus der poetischen
Gestalt des wirklichen Lebens“ (Friedrich Schiller, Werke und Briefe, hg. von
Otto Dann u.a., Bd. 5: Dramen IV, hg. von Matthias Luserke, Frankfurt 1996,
S. 286).
54, 27-55, 2 Schiller kämpft mit dieser seiner Hauptwaffe gegen den gemeinen
Begriff des Natürlichen, gegen die bei der dramatischen Poesie gemeinhin
geheischte Illusion. Während der Tag selbst auf dem Theater nur ein künstlicher,
die Architektur nur eine symbolische sei und die metrische Sprache einen idealen
Charakter trage, herrsche immer noch der Irrthum im Ganzen: es sei nicht genug,
dass man das nur als eine poetische Freiheit dulde, was doch das Wesen aller
Poesie sei. Die Einführung des Chores sei der entscheidende Schritt, mit dem
jedem Naturalismus in der Kunst offen und ehrlich der Krieg erklärt werde.] Der
Chor, so Schiller, agiere „von der ganzen sinnlichen Macht des Rhythmus und
der Musik in Tönen und Bewegungen begleitet“, und weiter heißt es: „Nur der
Chor berechtiget den tragischen Dichter zu dieser Erhebung des Tons, die das
Ohr ausfüllt, die den Geist anspannt, die das ganze Gemüth erweitert. Diese
eine Riesengestalt in seinem Bilde nöthigt ihn, alle seine Figuren auf den
Kothurn zu stellen, und seinem Gemälde dadurch die tragische Größe zu
geben“ (Friedrich Schiller, Werke und Briefe in zwölf Bänden, hg. von Otto
Dann u.a., Bd. 5: Dramen IV, hg. von Matthias Luserke, Frankfurt 1996, S. 288
und 289).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften