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Stellenkommentar GT 8, KSA 1, S. 58-59 189

„um sich zur Nähe des Dionysos emporzuschwingen“. So sei auch die
ursprüngliche Form der Tragödie, der Satyrchor des Dithyrambus, zu erklären:
„Der Chor betrachtete sich dabei selbst als einen dem Dionysos angehörenden
Schwarm und gerieth dadurch von selbst in die Rolle der Satyrn“.
59, 19-25 Nur muss man sich immer gegenwärtig halten, dass das Publicum
der attischen Tragödie sich selbst in dem Chore der Orchestra wiederfand, dass
es im Grunde keinen Gegensatz von Publicum und Chor gab: denn alles ist nur
ein grosser erhabener Chor von tanzenden und singenden Satyrn oder von sol-
chen, welche sich durch diese Satyrn repräsentiren lassen.] Die Orchestra ist der
Tanzplatz zwischen der Bühne, auf der die Schauspieler agierten, und den
konzentrisch aufsteigenden Sitzreihen für die Zuschauer, das „Publicum“. Die
Aussage, daß dieses sich „in dem Chore der Orchestra“ wiederfand, konnte N.
aus Karl Otfried Müllers Geschichte der griechischen Literatur herleiten. Dort
heißt es (Bd. 2, S. 48), daß der Chor „in der Regel aus Menschen des Volkes
gebildet“ war, „welche die Ereignisse auf der Bühne mit einem [...] dem zuhö-
renden Publikum um so verwandteren Gemüthe aufnehmen sollten“. Vgl. auch
Wagners Schrift Über Schauspieler und Sänger: „In der, vom Amphitheater fast
vollständig umgebenen, antiken Orchestra stand der tragische Chor, wie im
Herzen des Publikums“ (GSD IX, 197). Im übrigen handelt es sich um eine
Projektion des hypothetischen Ursprungs der Tragödie aus einem Satyrchor auf
die spätere, vollentwickelte Form der Tragödie und ihre Aufführung in großen
Theatern. Vor allem sind die aus der literarischen Überlieferung - aus den
Tragödien des Aischylos, Sophokles und Euripides - bekannten Chöre keines-
wegs Satyrchöre.
59, 26-28 Der Chor ist der „idealische Zuschauer“, insofern er der einzige
Schauer ist, der Schauer der Visionswelt der Scene.] N. transformiert hier die
von ihm abgelehnte Schlegelsche Vorstellung vom „idealischen Zuschauer“
(vgl. NK 53, 5-8) in den terminologisch festgelegten Begriff für den Teilnehmer
an der Mysterienhandlung, der das Mysterium „schauen“ darf: für den
enönTpq, den „Schauer“. Die Dionysosmysterien hingen allerdings nicht mit
den Tragödienaufführungen zusammen, obwohl diese ebenfalls aus dem Dio-
nysoskult hervorgegangen waren. Die „Scene“ ist wiederum nicht eine Szene
im modernen Sinn des Wortes, sondern der griechische Terminus ((JKpvp) für
die Bühne.
59, 29 in ihren Theatern] Das erste Theater befand sich in Athen am Südhang
der Akropolis im Tempelbezirk des Dionysos. Nach diesem Vorbild entstanden
in Griechenland und in anderen Bereichen des Mittelmeer-Raums zahlreiche
Theater, meistens ebenfalls in der Nähe eines Dionysos-Tempels.
59, 33 Choreut] Mitglied des Chores.
 
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