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Stellenkommentar GT 9, KSA 1, S. 68-71 207

69,10 dem wahren Palladium] In der Bedeutung von ,Schutzschild4 leitet sich
dieses Wort vom ,Palladion4 und letztlich von „Pallas44 her, dem Beinamen der
Athene. Die Kultstatue der Pallas Athene hieß , Palladion4 und war der Göttin
als der Stadtbeschirmerin Athens geweiht. Im Inneren des Tempels aufgestellt,
sollte sie die Sicherheit der Stadt verbürgen.
69, 18-23 Das Beste und Höchste, dessen die Menschheit theilhaftig werden
kann, erringt sie durch einen Frevel und muss nun wieder seine Folgen dahinneh-
men, nämlich die ganze Fluth von Leiden und von Kümmernissen mit denen die
beleidigten Himmlischen das edel emporstrebende Menschengeschlecht heimsu-
chen - müssen] Hier orientiert sich N. nicht an Aischylos, der den mit dem
Feuerraub verbundenen kulturellen Fortschritt trotz der Bestrafung des Prome-
theus positiv wertet, sondern an Hesiod, in dessen Werken und Tagen (V. 47-
105) der kulturelle Fortschritt nicht nur Götter und Menschen entzweit, son-
dern auch für die Menschen zahllose Übel zur Folge hat: Die Götter schicken
ihnen Pandora, die aus ihrer Büchse alle diese Übel ausstreut. Ohne den Pan-
dora-Mythos zu erwähnen, spielt N. auf ihn an, indem er von der „ganzen
Fluth von Leiden und von Kümmernissen“ spricht, welche die Menschen heim-
suchen. N. vermeidet die explizite Nennung der Pandora-Sage, weil er die
- lasterhaften - „weiblichen Affectionen“ (69, 27) dem semitischen Sündenfall-
Mythos vorbehält, um ihn dem arischen, entschieden im Sinne männlicher
„Würde“ (69, 24) gedeuteten Prometheus-„Frevel“ (69, 24-30) entgegensetzen
zu können. Aufschlußreich ist dieses Verfahren durch die Verbindung von Anti-
semitismus (zum Antisemitismus des jungen N. vgl. die in NK 68, 34-69, 8
angeführten Briefstellen) und Abwertung des ,Weibes4 (Eva). Vollends erhellt
dies aus der alsbald folgenden Bemerkung: „So wird von den Ariern der Frevel
als Mann, von den Semiten die Sünde als Weib verstanden“ (70, 10 f.).
70,13 der Hexenchor] Goethe, Szene Walpurgisnacht im Faust I, V. 3982-3985.
71, 12 f. „Alles Vorhandene ist gerecht und ungerecht und in beidem gleich
berechtigt.“] Diese Formulierung lehnt sich an Heraklits Lehre von der Einheit
der Gegensätze an, besonders an Frg. 22 B 102 (Diels/Kranz): „Für Gott ist alles
schön und gut und gerecht; die Menschen aber haben das eine als ungerecht,
das andere als gerecht angenommen“ (tw pcv Oew KotÄa nävTa Kai äya0d Kai
öiKaia, avOptünoi öe a psv aöiKa vnsiAficpamv a ös öiKaia).
71, 14 Das ist deine Welt! Das heisst eine Welt! -] Goethe, Szene Nacht im
Faust I, V. 409. Hier handelt es sich um ein besonders deutliches Beispiel des in
GT immer wieder zu beobachtenden sinnentstellenden und manipulierenden
Zitierens. N. macht die Worte zum Ausdruck des selbstbewußt-schöpferischen
Prometheus bei Aischylos. Goethe hingegen läßt Faust sein lebensfernes
 
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