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268 Die Geburt der Tragödie

mit den Ammen, Putzmacherinnen Raseurs und Kuchenbäckern. Die absicht-
lich derbe und rücksichtslose Verurtheilung der Kunst hat bei Plato etwas
Pathologisches: [...] er der seine tief künstlerische Natur zu Gunsten des Sokra-
tismus mit Füßen getreten hat, offenbart in der Herbigkeit jener Urtheile, daß
die tiefste Wunde seines Wesens noch nicht vernarbt ist“ (KSA 1, 542, 27-543,
15). In der ungefähr gleichzeitig entstandenen Schrift Die Philosophie im tragi-
schen Zeitalter der Griechen rechnet N. Platon bezeichnenderweise zu den Epi-
gonen. Hierzu vgl. NK 94, 8-10. Wie er in GT Euripides gegenüber Aischylos
abwertet, so Platon gegenüber den archaischen Naturphilosophen, insbeson-
dere Heraklit. In N.s späteren Schriften erhält die Ablehnung Platons eine ganz
andere Begründung - bestimmend ist darin die Wendung gegen den platoni-
schen Idealismus, gegen die „Hinterwelten“, die N. dann besonders in der
Form des christlichen Jenseitsglaubens bekämpft.
87, 24-27 sein [des Euripides] aesthetischer Grundsatz „alles muss bewusst
sein, um schön zu sein“, ist, wie ich sagte, der Parallelsatz zu dem sokratischen
„alles muss bewusst sein, um gut zu sein“] Dieser pointierende Rückgriff auf
die Aussage in 85, 6-8 erhält nunmehr, nach der Analogisierung der Geistes-
haltung des Euripides und derjenigen Platons, eine neue Fundierung. Bisher
war nur von Sokrates und vom Sokratismus die Rede. Sokrates ist eine Figur,
die Platon in seinen Dialogen zu einem guten Teil als Medium für die Darle-
gung seiner eigenen Gedanken einsetzt. Mit Sokrates, so wird nun deutlich,
meinte N. auch, halb verhüllt, immer schon Platon. Im Hinblick auf Euripides
bleibt die Formulierung „alles muss bewusst sein, um schön zu sein“ ein
Pseudo-Zitat, das auf keinen auch nur entfernt ähnlichen Wortlaut bei Euripi-
des zurückweist. Als „Parallelsatz“ konstruiert ihn N. selbst, um seine These
des „aesthetischen Sokratismus“ zu profilieren.
87, 34-88, 5 insofern aber der Kampf gegen das Dionysische der älteren Kunst
gerichtet war, erkennen wir in Sokrates den Gegner des Dionysus, den neuen
Orpheus, der sich gegen Dionysus erhebt und, obschon bestimmt, von den Mäna-
den des athenischen Gerichtshofes zerrissen zu werden, doch den übermächtigen
Gott selbst zur Flucht nöthigt] N. erfindet hier, seiner Vorliebe für „Kampf“-
Konstruktionen folgend, wo doch geschichtlich bedingte geistige und künstleri-
sche Prozesse sich abzeichnen, eine bei Sokrates nirgends bezeugte Gegner-
schaft gegen „das Dionysische“. Diese Erfindung kleidet er mythologisch-meta-
phorisch ein, indem er sich auf den Mythos beruft, in dem Orpheus von den
zum Gefolge des Dionysos gehörenden Mänaden zerrissen wurde - die bekann-
teste Version dieses Mythos ist in Ovids Metamorphosen (11, V. 1-66) überlie-
fert. Diese Sage zieht N. heran, um das im Jahre 399 v. Chr. von einem atheni-
schen Gericht gegen Sokrates verhängte Todesurteil zu metaphorisieren - in
 
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