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Stellenkommentar GT 15, KSA 1, S. 99-100 303

99, 21 f. das Bild des sterbenden Sokrates ] Wiederaufnahme von 91, 29
und des Bezugs zu Platons Phaidon.
99, 23-26 das Wappenschild, das über dem Eingangsthor der Wissenschaft
einen Jeden an deren Bestimmung erinnert, nämlich das Dasein als begreiflich
und damit als gerechtfertigt erscheinen zu machen] Diese problematische These
enthält zugleich die Antithese zu dem im 5. Kapitel formulierten Leitgedanken:
„nur als aesthetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig
gerechtfertigt“ (47, 26f.). Während sich aus dem antithetischen Verhältnis
beider Aussagen die Option zugunsten der Kunst im Gegensatz zur Wissen-
schaft ergibt, rückt N. später im Versuch einer Selbstkritik, in der er die Feststel-
lung wiederaufnimmt, nur als ästhetisches Phänomen sei das Dasein der Welt
gerechtfertigt, nicht mehr den Gegensatz zur Wissenschaft, sondern zur Moral
ins Zentrum (17, 8-16).
99, 30-100, 1 Wer sich einmal anschaulich macht, wie nach Sokrates, dem
Mystagogen der Wissenschaft, eine Philosophenschule nach der anderen, wie
Welle auf Welle, sich ablöst, wie eine nie geahnte Universalität der Wissensgier
in dem weitesten Bereich der gebildeten Welt und als eigentliche Aufgabe für
jeden höher Befähigten die Wissenschaft auf die hohe See führte] N. erklärt
Sokrates zum „Mystagogen“ (im eigentlichen Sinn ist ein Mystagog ein in die
Mysterien einweihender Priester), d. h. zu einer durch geheimnisvolle Faszina-
tion wirkenden Leitfigur der seit dem Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. entste-
henden Philosophenschulen und der entsprechenden philosophischen Haupt-
strömungen: des von der platonischen Akademie ausgehenden Platonismus,
des vom Peripatos ausgehenden Aristotelismus, des vom Kepos (,Garten4) Epi-
kurs aus sich verbreitenden Epikureismus und der von der Stoa poikile (der
„bunten Säulenhalle“ in Athen, in welcher Zenon lehrte, der Begründer der
,Stoa‘) ausstrahlenden stoischen Philosophie. Diese Gründungen der Philoso-
phenschulen folgten „Welle auf Welle“ aufeinander und wirkten für Jahrhun-
derte, bis weit in die römische Kaiserzeit hinein, auf die gesamte Bildungswelt
des Mittelmeerraumes - deshalb spricht N. von der „Universalität der Wissens-
gier in dem weitesten Bereich der gebildeten Welt“. Auch kamen aus dem
Imperium Romanum viele Bildungsreisende nach Athen, um dort die verschie-
denen Philosophenschulen, die einen regelrechten (Hoch-)Schulbetrieb unter-
hielten, zu besuchen. Darauf spielt N. an, indem er von der „eigentlichen Auf-
gabe für jeden höher Befähigten“ spricht. Für alle Philosophenschulen und
alle Gebildeten wurde Sokrates zum Inbegriff des „Weisen“.
100, 25-28 Sokrates das Urbild des theoretischen Optimisten, der in dem
bezeichneten Glauben an die Ergründlichkeit der Natur der Dinge dem Wissen
und der Erkenntniss die Kraft einer Universalmedizin beilegt] Da sich N. in dieser
 
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