Stellenkommentar GT 15, KSA 1, S. 101 311
ren logozentrischen Philosophierens. Daß sich N. in seiner auf Wagner hin
perspektivierten Tragödienschrift von Anfang an (vgl. schon 25, 3) und in die-
sen Partien nun verstärkt auf die „Logik“ konzentriert, ist als bereitwillig ver-
stärkendes Echo auf Wagner zu verstehen. Dieser hatte in seiner auch sonst
von N. intensiv herangezogenen Schrift Zukunftsmusik Beethovens symphoni-
sches Werk zum Anlass genommen, um sich grundsätzlich gegen die „Logik“
und die „logisirende Vernunft“ auszusprechen. Über Beethovens Musik (mit
der er letztlich seine eigene meint) schreibt Wagner, „daß sie uns mächtiger
als alle Logik dünken muß, ohne daß jedoch die Gesetze der Logik im Mindes-
ten in ihr enthalten wären, vielmehr das vernunftmäßige, am Leitfaden von
Grund und Folge sich bewegende Denken hier gar keinen Anhalt findet“ (N.
spricht in enger Anlehnung vom „Leitfaden der Causalität“; 99, 10). So decke
die Musik „einen von dem gewöhnlichen logischen Zusammenhang durchaus
[d. h. nach altem Wortgebrauch: gänzlich] verschiedenen Zusammenhang der
Phänomene der Welt auf“, welcher „unser Gefühl mit einer solchen Sicherheit
bestimmt, daß die logisirende Vernunft vollkommen dadurch verwirrt und ent-
waffnet wird“ (GSD VII, 110).
Später reflektiert N., angeregt durch die Werke von Afrikan Spir, das Pro-
blem der Logik genauer unter dem Aspekt des Verhältnisses von Denken und
Wirklichkeit (NL 1885, KSA 11, 34[249], 505,1-16): „Das Muster einer vollständi-
gen Fiction ist die Logik. Hier wird ein Denken erdichtet, wo ein Gedanke
als Ursache eines anderen Gedankens gesetzt wird; alle Affekte, alles Fühlen
und Wollen wird hinweg gedacht. Es kommt dergleichen in der Wirklichkeit
nicht vor: diese ist unsäglich anders complicirt. Dadurch daß wir jene Fiction
als S c h e m a anlegen, also das thatsächliche Geschehen beim Denken gleich-
sam durch einen Simplifications-Apparat f i 11 r i r e n: bringen wir es zu einer
Zeichenschrift und Mittheilbarkeit und Merkbarkeit der logischen
Vorgänge. Also: das geistige Geschehen zu betrachten, wie als ob es dem
Schema jener regulativen Fiktion entspräche: dies ist der
Grundwille. Wo es ,Gedächtniß‘ giebt, hat dieser Grundwille gewaltet. - In
der Wirklichkeit giebt es kein logisches Denken, und kein Satz der Arithmetik
und Geometrie kann aus ihr genommen sein, weil er gar nicht vorkommt.“
Ähnlich NL 1885, KSA 11, 38 [2], 597.
101, 28 f. wie die Logik [...] endlich sich in den Schwanz beisst] Anspielung auf
Hegels Idee einer absoluten Selbstbegründung des (göttlichen) Wissens,
wonach dieses die Voraussetzungen, von denen her es sich begründet, als
Resultat des eigenen geistigen Prozesses hervorbringt. Gerade dadurch ist bei
Hegel das Wissen absolut. In seiner Wissenschaft der Logik, welche die formale
Logik durch eine aus spekulativer Metaphysik gewonnene ,Dialektik4 ersetzt,
entfaltet er dementsprechend eine „reine Intellectualansicht des Universums“,
ren logozentrischen Philosophierens. Daß sich N. in seiner auf Wagner hin
perspektivierten Tragödienschrift von Anfang an (vgl. schon 25, 3) und in die-
sen Partien nun verstärkt auf die „Logik“ konzentriert, ist als bereitwillig ver-
stärkendes Echo auf Wagner zu verstehen. Dieser hatte in seiner auch sonst
von N. intensiv herangezogenen Schrift Zukunftsmusik Beethovens symphoni-
sches Werk zum Anlass genommen, um sich grundsätzlich gegen die „Logik“
und die „logisirende Vernunft“ auszusprechen. Über Beethovens Musik (mit
der er letztlich seine eigene meint) schreibt Wagner, „daß sie uns mächtiger
als alle Logik dünken muß, ohne daß jedoch die Gesetze der Logik im Mindes-
ten in ihr enthalten wären, vielmehr das vernunftmäßige, am Leitfaden von
Grund und Folge sich bewegende Denken hier gar keinen Anhalt findet“ (N.
spricht in enger Anlehnung vom „Leitfaden der Causalität“; 99, 10). So decke
die Musik „einen von dem gewöhnlichen logischen Zusammenhang durchaus
[d. h. nach altem Wortgebrauch: gänzlich] verschiedenen Zusammenhang der
Phänomene der Welt auf“, welcher „unser Gefühl mit einer solchen Sicherheit
bestimmt, daß die logisirende Vernunft vollkommen dadurch verwirrt und ent-
waffnet wird“ (GSD VII, 110).
Später reflektiert N., angeregt durch die Werke von Afrikan Spir, das Pro-
blem der Logik genauer unter dem Aspekt des Verhältnisses von Denken und
Wirklichkeit (NL 1885, KSA 11, 34[249], 505,1-16): „Das Muster einer vollständi-
gen Fiction ist die Logik. Hier wird ein Denken erdichtet, wo ein Gedanke
als Ursache eines anderen Gedankens gesetzt wird; alle Affekte, alles Fühlen
und Wollen wird hinweg gedacht. Es kommt dergleichen in der Wirklichkeit
nicht vor: diese ist unsäglich anders complicirt. Dadurch daß wir jene Fiction
als S c h e m a anlegen, also das thatsächliche Geschehen beim Denken gleich-
sam durch einen Simplifications-Apparat f i 11 r i r e n: bringen wir es zu einer
Zeichenschrift und Mittheilbarkeit und Merkbarkeit der logischen
Vorgänge. Also: das geistige Geschehen zu betrachten, wie als ob es dem
Schema jener regulativen Fiktion entspräche: dies ist der
Grundwille. Wo es ,Gedächtniß‘ giebt, hat dieser Grundwille gewaltet. - In
der Wirklichkeit giebt es kein logisches Denken, und kein Satz der Arithmetik
und Geometrie kann aus ihr genommen sein, weil er gar nicht vorkommt.“
Ähnlich NL 1885, KSA 11, 38 [2], 597.
101, 28 f. wie die Logik [...] endlich sich in den Schwanz beisst] Anspielung auf
Hegels Idee einer absoluten Selbstbegründung des (göttlichen) Wissens,
wonach dieses die Voraussetzungen, von denen her es sich begründet, als
Resultat des eigenen geistigen Prozesses hervorbringt. Gerade dadurch ist bei
Hegel das Wissen absolut. In seiner Wissenschaft der Logik, welche die formale
Logik durch eine aus spekulativer Metaphysik gewonnene ,Dialektik4 ersetzt,
entfaltet er dementsprechend eine „reine Intellectualansicht des Universums“,