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Stellenkommentar GT 17, KSA 1, S. 111-113 329

daß „mit einer Entartung und Depravation des Einen eine Verkümmerung der
Anderen verbunden sein wird“ (153, 22-25). An der modernen Kultur kritisiert
er, daß die Kunst zu einem minderwertigen Unterhaltungsobject „entartete“
(144,10). In der Schrift Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben ist
im Hinblick auf die Historie von Entartung die Rede: „Denn bei einem gewissen
Uebermaass derselben zerbröckelt und entartet das Leben und zuletzt auch
wieder, durch diese Entartung, selbst die Historie“ (KSA 1, 257, 31-34). Insbe-
sondere für die „antiquarische“ Historie sieht N. die Gefahr der „Entartung“
(268, 21) und in weiten Bereichen historischer Betätigung glaubt er, mit mar-
kant biologistischem Vokabular, „zum Unkraut aufgeschossene, ihrem natürli-
chen Mutterboden entfremdete und deshalb entartete Gewächse“ (265, 2-4) zu
erkennen.
112,11-14 Durch jenen neueren Dithyrambus ist die Musik in frevelhafter Weise
zum imitatorischen Conterfei der Erscheinung z. B. einer Schlacht, eines Seestur-
mes gemacht und damit allerdings ihrer mythenschaffenden Kraft gänzlich
beraubt worden.] Nach den Angaben des Athenaios in seinen Deipnosophistai
(Gastmahl der Gelehrten) VIII 19, 338a, soll ein Dithyrambendichter einen
Sturm musikalisch dargestellt haben. Das hat allerdings auch Beethoven in
einem der Sätze seiner 6. Symphonie getan. Aristophanes läßt im Plutos (Der
Reichtum) die Musik das Blöken einer Schafherde als Parodie eines Dithyram-
bos nachahmen (V. 290 f.). Schopenhauer hatte die imitatorische Art der Musik
verurteilt (Die Welt als Wille und Vorstellung I, Frauenstädt, Bd. 2, S. 311 f.).
112, 21-113, 3 f. denn der Mythus will als ein einziges Exempel einer in’s Unend-
liche hinein starrenden Allgemeinheit und Wahrheit anschaulich empfunden wer-
den. Die wahrhaft dionysische Musik tritt uns als ein solcher allgemeiner Spiegel
des Weltwillens gegenüber: jenes anschauliche Ereigniss, das sich in diesem
Spiegel bricht, erweitert sich sofort für unser Gefühl zum Abbilde der ewigen
Wahrheit. [...] der mythenschaffenden Kraft der wahren Musik] In einem nachge-
lassenen Fragment gibt N. die Quelle für diese Theorie genauer zu erkennen
(NL 1871/1872, KSA 7, 14[3], 376, 1-19): „Aus der Fülle dieser Erkenntnisse, auf
die, zur Bekräftigung ihrer ewigen Wahrheit, Richard Wagner im ,Beethoven4
seinen Stempel gedrückt hat, hebe ich eine Stelle hervor, die für die Erklärung
des Ursprungs der Tragödie von höchstem Werthe ist. Die Musik, sagt Schopen-
hauer, läßt jedes Gemälde, ja jede Szene des wirklichen Lebens und der Welt,
sogleich in erhöhter Bedeutsamkeit hervortreten: freilich um so mehr, je analo-
ger ihre Melodie dem inneren Geiste der gegebenen Erscheinung ist. Denken
wir uns jetzt die erhabenste Steigerung der Musik, so wäre damit ein Mittel
gewonnen, jedes Bild der Welt, um kurz zu reden, in einen Mythus zu ver-
wandeln und zum Ausdruck einer ewig-gültigen allgemeinen Wahrheit zu
 
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