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340 Die Geburt der Tragödie

dige Knechtschaft“, allerdings mit dem Zusatz, die Arbeiter sollten einfach aus-
wandern, um diesen negativen Verhältnissen zu entkommen - man könne ja
statt ihrer Chinesen als „arbeitsame Ameisen“ holen!
117, 25-32 Wer wagt es, solchen drohenden Stürmen entgegen, sicheren Muthes
an unsere blassen und ermüdeten Religionen zu appelliren [...] und selbst auf
diesem Bereich jener optimistische Geist zur Herrschaft gekommen ist, den wir
als den Vernichtungskeim unserer Gesellschaft eben bezeichnet haben.] Die „dro-
henden Stürme“ deuten auf die in der Bildungsschicht weitverbreitete Furcht
vor einer sozialen Revolution. Die Aussagen über den Zustand der Religion
bilden die Grundlage der ersten der Unzeitgemäßen Betrachtungen: David
Strauss der Bekenner und der Schriftsteller.
118, 4-12 haben grosse allgemein angelegte Naturen, mit einer unglaublichen
Besonnenheit, das Rüstzeug der Wissenschaft selbst zu benützen gewusst, um
die Grenzen und die Bedingtheit des Erkennens überhaupt darzulegen und damit
den Anspruch der Wissenschaft auf universale Geltung und universale Zwecke
entscheidend zu leugnen: bei welchem Nachweise zum ersten Male jene Wahn-
vorstellung als solche erkannt wurde, welche, an der Hand der Causalität, sich
anmaasst, das innerste Wesen der Dinge ergründen zu können.] N. übernimmt
hier bis in den Wortlaut hinein und in allen Hauptbegriffen die Ausführungen
Schopenhauers über Kant in der Welt als Wille und Vorstellung I (Anhang: Kritik
der Kantischen Philosophie): „Solche deutliche Erkenntniß und ruhige, beson-
nene Darstellung dieser traumartigen Beschaffenheit der ganzen Welt ist
eigentlich die Basis der ganzen Kantischen Philosophie, ist ihre Seele und ihr
allergrößtes Verdienst. Er brachte dieselbe dadurch zu Stande, daß er die ganze
Maschinerie unsers Erkenntnißvermögens, mittelst welcher die Phantasmago-
rie der objektiven Welt zu Stande kommt, auseinanderlegte und stückweise
vorzeigte, mit bewundernswerther Besonnenheit und Geschicklichkeit [...] Er
zeigte, daß die Gesetze, welche im Daseyn, d. h. in der Erfahrung überhaupt,
mit unverbrüchlicher Nothwendigkeit herrschen, nicht anzuwenden sind, um
das Daseyn selbst abzuleiten und zu erklären, daß also die Gültigkeit
derselben doch nur eine relative ist, d. h. erst anhebt, nachdem das Daseyn,
die Erfahrungswelt überhaupt, schon gesetzt und vorhanden ist; daß folglich
diese Gesetze nicht unser Leitfaden seyn können, wann wir an die Erklärung
des Daseyns der Welt und unserer selbst gehen. Alle früheren occidentalischen
Philosophen hatten gewähnt, diese Gesetze, nach welchen die Erscheinungen
aneinander geknüpft sind und welche alle, Zeit und Raum sowohl als Kausali-
tät und Schlußfolge, ich unter den Ausdruck des Satzes vom Grunde zusam-
menfasse, wären absolute und durch gar nichts bedingte Gesetze, aeternae
veritates, die Welt selbst wäre nur in Folge und Gemäßheit derselben, und
 
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