Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Stellenkommentar GT 20, KSA 1, S. 130 369

lesen zu wollen, als was heute gedruckt ist: - die Journalisten. Treffend
benannt! Verdeutscht würde es heißen ,Tagelöhner4.“ Mit der zitathaft hervor-
gehobenen „leichten Eleganz“ spielt N. auf die von Laube im Vormärz redi-
gierte Zeitung für die elegante Welt an, die ein führendes Organ des Jungen
Deutschland war. In einer Vorstufe zur dritten der Unzeitgemäßen Betrachtun-
gen: Schopenhauer als Erzieher wird N. noch deutlicher (KSA 14, 78): „Jene
Rufer nach Eleganz verdienen wahrhaftig dass man sich über sie erzürne; denn
sie geben eine schnell bereite, unverschämte Antwort auf ein edles und tiefsin-
niges Bedenken, das der Deutsche schon längst auf dem Herzen hat. Es klingt
als ob man ihm zuriefe: lerne tanzen - während ihm jene Sehnsucht Faustens
erregt ist, sich in der Abendröthe zu baden!“ (N. spielt hier ungenau auf die
Makrokosmos-Vision in Fausts Auftritts-Monolog, V. 445 f., an: „Auf, bade,
Schüler, unverdrossen / Die ird’sche Brust im Morgenrot!“).
N. wußte sich im Einklang (vgl. das Zitat im Überblickskommentar S. 58)
mit Wagner, der gegen die Rolle der Juden in der „modernen Journalistik“
polemisierte und diese Polemik mit derjenigen gegen das Junge Deutschland4,
gegen „Theaterdirektoren“ (lies: Laube) und die französische Kultur verband.
All diese Elemente verquickte und kondensierte Wagner in einem späteren
Kurz-Text, den er unter dem Titel Modern publizierte (GSD X, 10, S. 54-60). In
der Druckfassung von UB III kritisiert N. die „lügnerische Eleganz“, die „wür-
delose Hast“ und die „modische Gier nach der schönen Form“ (KSA 1, 392, 13-
15) in einem ausführlicheren Kontext, in dem er sich mit der leitmotivisch
hervorgehobenen „Eleganz“ auseinandersetzt (390, 16-392, 14). Zu N.s
Bekanntschaft mit Laube, der ein führender Theatermann seiner Zeit war, und
zu weiteren Reflexen in GT vgl. NK 103, 3-9. In einer nachgelassenen Notiz
heißt es unter dem Titel „Zu Schopenhauers Sprache und Stil“: „Jene markig-
männliche Kraft, ja deren zur tiefen künstlerischen Anschauung, bis zur Son-
nenhöhe der Mystik, ragende Sprache, mit der sich unser philosophischer
,Gegenwärtiger4 durch das schnöde Wort ,Eleganz4 abzufinden sucht. 0 über
diese ,Eleganten4! Denen so völlig jenes sittliche Pathos, jeder gleichmäßig
erhobene Ton abgeht usw.“ (NL 1870/1871, KSA 7, 7[159], 200, 23-28).
Die dynamische Entwicklung des Pressewesens schon seit 1830 und dann
besonders nach der Revolution von 1848 war ein neuartiges Phänomen des
19. Jahrhunderts. Oft verband sich im Vormärz noch ein schriftstellerischer Ehr-
geiz mit Presseveröffentlichungen, und umgekehrt durchdrang der journalisti-
sche Ton viele literarische Veröffentlichungen. Bekannte Publizisten: Ludwig
Börne (Iris), Heinrich Laube (Zeitung für die elegante Welt), Adolf Müllner (Mit-
ternachtszeitung), Moritz Gottlieb Saphir (Berliner Schnellpost und Berliner Cou-
rier), Karl Gutzkow (Telegraph für Deutschland), Eduard Duller (Phönix), Theo-
dor Hell (Pseudonym für Karl Gottfried Theodor Winkler) (Abendzeitung).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften