Stellenkommentar GT 21-22, KSA 1, S. 144 387
dues. In Deutschland vertraten die sog. Jungdeutschen4 eine entschieden poli-
tisch engagierte Schriftstellerei mit entsprechender Ausrichtung auf eine jour-
nalistische Profilierung des Schriftstellerberufs. Damit verband sich das
Bekenntnis zur „Tendenz“. Deshalb spricht N. auch - wie Marggraff - von
einem „Cultus der Tendenz“.
Daß N. die „Kunst“ durch ihre Hingabe an die „Tendenz“ gefährdet sieht,
ist ebenfalls ein später Reflex einer historischen Debatte. Sie hatte ihren aufse-
henerregenden Höhepunkt in der Kontroverse Heines mit Börne erreicht.
Heine, der selbst politisch engagiert war und durchaus mit markanter „Ten-
denz“ Schriftstellerei mit Journalismus verband, sah dennoch die Gefahr, die
daraus für die „Kunst“ erwuchs. Obwohl er nie sein ,modernes4 demokratisches
Engagement verlor, wertete er in seinem späteren Werk das Genie und die als
genial-autonom verstandene Kunst angesichts einer sich ausbreitenden Mittel-
mäßigkeit immer mehr auf. Diese Welt der Mittelmäßigkeit war für ihn nicht
nur die der Bourbonischen und Metternichschen Restauration, sondern auch
die zukünftige ,Moderne4 der Gleichheit, für die er selbst kämpfte. Er verachtete
sie auch als eine Welt der bloßen Nützlichkeit und Wirtschaftlichkeit, in der
eine unästhetisch-„öde Werkeltagsgesinnung“ herrscht (Heinrich Heine: Lud-
wig Börne, in: Heine: Sämtliche Schriften. Vierter Band, hg. von Klaus Briegleb,
München 1971, S. 141). 1841 verfaßte Heine gegen die ins Unkünstlerische
abgleitende „Tendenz“-Schriftstellerei das allegorische Tierepos Atta Troll.
Zwar betont er in der 1846 hinzugefügten Vorrede, er habe sich in seinem
Versepos nicht prinzipiell gegen ein politisches Engagement der Literatur aus-
gesprochen, schon gar nicht gegen ein Engagement für die „heiligsten Mensch-
heitsideen“, d. h. für die damals revolutionären Ideale der Freiheit und Gleich-
heit. Lediglich gegen eine oberflächliche Tages- und Tugendschriftstellerei
wende er sich, gegen eine Literatur, die ihre politisch-moralische Tendenz als
Freibrief für die Vernachlässigung des künstlerischen Niveaus benützt. Atta
Troll, der Bär und Titelheld der Verserzählung, ist denn auch Inbild alles
Unpoetischen, Bärenhaft-Plumpen, kein rechter Tanzbär, sondern ein primiti-
ver „Tendenzbär“ (Heine IV, S. 563):
Atta Troll, Tendenzbär,
[...]
Sehr schlecht tanzend, doch Gesinnung
Tragend in der zottgen Hochbrust.
Heine verfaßte sogar ein Gedicht mit dem Titel Die Tendenz, in dem er parodis-
tisch übertreibend diese Zeiterscheinung verspottete:
dues. In Deutschland vertraten die sog. Jungdeutschen4 eine entschieden poli-
tisch engagierte Schriftstellerei mit entsprechender Ausrichtung auf eine jour-
nalistische Profilierung des Schriftstellerberufs. Damit verband sich das
Bekenntnis zur „Tendenz“. Deshalb spricht N. auch - wie Marggraff - von
einem „Cultus der Tendenz“.
Daß N. die „Kunst“ durch ihre Hingabe an die „Tendenz“ gefährdet sieht,
ist ebenfalls ein später Reflex einer historischen Debatte. Sie hatte ihren aufse-
henerregenden Höhepunkt in der Kontroverse Heines mit Börne erreicht.
Heine, der selbst politisch engagiert war und durchaus mit markanter „Ten-
denz“ Schriftstellerei mit Journalismus verband, sah dennoch die Gefahr, die
daraus für die „Kunst“ erwuchs. Obwohl er nie sein ,modernes4 demokratisches
Engagement verlor, wertete er in seinem späteren Werk das Genie und die als
genial-autonom verstandene Kunst angesichts einer sich ausbreitenden Mittel-
mäßigkeit immer mehr auf. Diese Welt der Mittelmäßigkeit war für ihn nicht
nur die der Bourbonischen und Metternichschen Restauration, sondern auch
die zukünftige ,Moderne4 der Gleichheit, für die er selbst kämpfte. Er verachtete
sie auch als eine Welt der bloßen Nützlichkeit und Wirtschaftlichkeit, in der
eine unästhetisch-„öde Werkeltagsgesinnung“ herrscht (Heinrich Heine: Lud-
wig Börne, in: Heine: Sämtliche Schriften. Vierter Band, hg. von Klaus Briegleb,
München 1971, S. 141). 1841 verfaßte Heine gegen die ins Unkünstlerische
abgleitende „Tendenz“-Schriftstellerei das allegorische Tierepos Atta Troll.
Zwar betont er in der 1846 hinzugefügten Vorrede, er habe sich in seinem
Versepos nicht prinzipiell gegen ein politisches Engagement der Literatur aus-
gesprochen, schon gar nicht gegen ein Engagement für die „heiligsten Mensch-
heitsideen“, d. h. für die damals revolutionären Ideale der Freiheit und Gleich-
heit. Lediglich gegen eine oberflächliche Tages- und Tugendschriftstellerei
wende er sich, gegen eine Literatur, die ihre politisch-moralische Tendenz als
Freibrief für die Vernachlässigung des künstlerischen Niveaus benützt. Atta
Troll, der Bär und Titelheld der Verserzählung, ist denn auch Inbild alles
Unpoetischen, Bärenhaft-Plumpen, kein rechter Tanzbär, sondern ein primiti-
ver „Tendenzbär“ (Heine IV, S. 563):
Atta Troll, Tendenzbär,
[...]
Sehr schlecht tanzend, doch Gesinnung
Tragend in der zottgen Hochbrust.
Heine verfaßte sogar ein Gedicht mit dem Titel Die Tendenz, in dem er parodis-
tisch übertreibend diese Zeiterscheinung verspottete: