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388 Die Geburt der Tragödie

Die Tendenz

Deutscher Sänger! sing und preise
Deutsche Freiheit, daß dein Lied
Unsrer Seelen sich bemeistre
Und zu Taten uns begeistre,
In Marseillerhymnenweise.
Girre nicht mehr wie ein Werther,
Welcher nur für Lotten glüht -
Was die Glocke hat geschlagen,
Sollst du deinem Volke sagen,
Rede Dolche, rede Schwerter!
Sei nicht mehr die weiche Flöte,
Das idyllische Gemüt -
Sei des Vaterlands Posaune,
Sei Kanone, sei Kartaune,
Blase, schmettre, donnre, töte!
Blase, schmettre, donnre täglich,
Bis der letzte Dränger flieht -
Singe nur in dieser Richtung,
Aber halte deine Dichtung
Nur so allgemein als möglich. (Heine IV, S. 422 f.)
N. stand zwar politisch und in seinen gesellschaftlichen Wertungen ganz im
Gegensatz zu Heines Positionen, aber er teilte prinzipiell dessen Plädoyer
gegen die „Tendenz“ zugunsten der „Kunst“. Allerdings war auch er gespalten
zwischen seinen - deutlich formulierten - politisch-gesellschaftlichen Urteilen
und seinem Bekenntnis zur reinen „Kunst“.
144, 4-7 die Tendenz, das Theater als Veranstaltung zur moralischen Volksbil-
dung zu verwenden, die zu Schiller’s Zeit ernsthaft genommen wurde] Diese Ten-
denz verfolgt Schiller programmatisch in seiner Abhandlung Die Schaubühne
als eine moralische Anstalt betrachtet (1802).
144,14 f. jene Schopenhauerische Parabel von den Stachelschweinen] Parerga
und Paralipomena II, § 396, Frauenstädt S. 689: „Eine Gesellschaft Stachel-
schweine drängte sich, an einem kalten Wintertage, recht nahe zusammen,
um, durch die gegenseitige Wärme, sich vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch
bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln; welches sie dann wieder von
einander entfernte. Wann nun das Bedürfniß der Erwärmung sie wieder näher
zusammen brachte, wiederholte sich jenes zweite Uebel; so daß sie zwischen
beiden Leiden hin und hergeworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung
 
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