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Ernst Marx :
gar verschieden sind“. Das steht im zweiten Buch des Lange-
schen Werkes im Kapitel „Gehirn und Seele“, es ist seine
Kritik an Pflüger und zugleich an vielen seiner Vorläufer; das
gemeinsam an ihnen zu Kritisierende ist für Lange die Personifi-
zierung, deren Resultat eine Lokalisierung ist. Lange’s Forderung
des Suchens nach den einfacheren Vorgängen ist ihm bei Hitzig
als erfüllt erschienen, dieser zeige „wirklich einfache Seelenvor-
gänge im strengsten Anschluß an den entsprechenden physi-
schen Vorgang“, — und danach trennt Lange wieder den physi-
schen Vorgang vom Seelischen. — Wenn Lange nach der Kritik
an Pflüger Johannes Müller vorwirft, er halte die Empfindung
eines der Hemisphären beraubten Tieres für „so ziemlich das-
selbe“ wie die Empfindung eines gesunden Tieres, so kann ich
ihm darin nicht recht geben. Das soll Johannes Müller des-
wegen tun, weil auch er noch ganz der Lokalisationsvorstellung
verhaftet sei. Er personifiziere Abstraktionen und weise ihnen
Provinzen in den Zentralteilen zu. Lange verlangt stattdessen ein
Bedenken des Vorganges des Denkens, Wollens, Fühlens usw.,
denn daraus ergäbe sich dann, daß man das „Überströmen der
Erregungen von einem Teil des Gehirns auf den anderen, die
fortschreitende Auslösung der Spannkräfte als das Objektive des
psychischen Aktes“ betrachten müsse. Ich sprach im vorigen
von dem Aufbau des Menschen nach Johannes Müller vom
Nervösen aus; man wird nicht leugnen können, daß der Emp-
findungseindruck in der Med. obl. sehr viel Verwandtschaft mit
dem Geschehen nach zentripetaler Erregung im Rückenmark hat.
Wenn Lange bei Johannes Müller die Divergenz des nervösen
Vorgangs und des psychischen Aktes herausgehoben hätte, dann
könnten wir ihn verstehen, denn darin liegt bei Johannes Müller
das Dilemma. Was Lange die Lokalisationen und Personifizierungen
nennt, das ist Johannes Müller’s immer weiteres Fortschreiten
in der nervösen Forschung, aber eben nicht gleichzeitig
in der psychischen —■ das ist der Fehler; es ist allerdings
zuzugeben, daß die weiteren Folgerungen daraus mit Lange über-
einstimmen müßten. — Vor einer genaueren Betrachtung der
ScHiFF’schen Forschungen will ich im Anschluß an den Lange-
schen Angriff gegen Johannes Müller das aus ihnen heraus-
nehmen, was ausdrücklich ihn von Johannes Müller trennt; es
sind die Funktionen der Med. obl. und des Großhirns auch in
Bezug auf Wille und Empfindung. Was bei Schiff Wille genannt
Ernst Marx :
gar verschieden sind“. Das steht im zweiten Buch des Lange-
schen Werkes im Kapitel „Gehirn und Seele“, es ist seine
Kritik an Pflüger und zugleich an vielen seiner Vorläufer; das
gemeinsam an ihnen zu Kritisierende ist für Lange die Personifi-
zierung, deren Resultat eine Lokalisierung ist. Lange’s Forderung
des Suchens nach den einfacheren Vorgängen ist ihm bei Hitzig
als erfüllt erschienen, dieser zeige „wirklich einfache Seelenvor-
gänge im strengsten Anschluß an den entsprechenden physi-
schen Vorgang“, — und danach trennt Lange wieder den physi-
schen Vorgang vom Seelischen. — Wenn Lange nach der Kritik
an Pflüger Johannes Müller vorwirft, er halte die Empfindung
eines der Hemisphären beraubten Tieres für „so ziemlich das-
selbe“ wie die Empfindung eines gesunden Tieres, so kann ich
ihm darin nicht recht geben. Das soll Johannes Müller des-
wegen tun, weil auch er noch ganz der Lokalisationsvorstellung
verhaftet sei. Er personifiziere Abstraktionen und weise ihnen
Provinzen in den Zentralteilen zu. Lange verlangt stattdessen ein
Bedenken des Vorganges des Denkens, Wollens, Fühlens usw.,
denn daraus ergäbe sich dann, daß man das „Überströmen der
Erregungen von einem Teil des Gehirns auf den anderen, die
fortschreitende Auslösung der Spannkräfte als das Objektive des
psychischen Aktes“ betrachten müsse. Ich sprach im vorigen
von dem Aufbau des Menschen nach Johannes Müller vom
Nervösen aus; man wird nicht leugnen können, daß der Emp-
findungseindruck in der Med. obl. sehr viel Verwandtschaft mit
dem Geschehen nach zentripetaler Erregung im Rückenmark hat.
Wenn Lange bei Johannes Müller die Divergenz des nervösen
Vorgangs und des psychischen Aktes herausgehoben hätte, dann
könnten wir ihn verstehen, denn darin liegt bei Johannes Müller
das Dilemma. Was Lange die Lokalisationen und Personifizierungen
nennt, das ist Johannes Müller’s immer weiteres Fortschreiten
in der nervösen Forschung, aber eben nicht gleichzeitig
in der psychischen —■ das ist der Fehler; es ist allerdings
zuzugeben, daß die weiteren Folgerungen daraus mit Lange über-
einstimmen müßten. — Vor einer genaueren Betrachtung der
ScHiFF’schen Forschungen will ich im Anschluß an den Lange-
schen Angriff gegen Johannes Müller das aus ihnen heraus-
nehmen, was ausdrücklich ihn von Johannes Müller trennt; es
sind die Funktionen der Med. obl. und des Großhirns auch in
Bezug auf Wille und Empfindung. Was bei Schiff Wille genannt