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Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0031
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Kallist und Tertullian.

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(Götzendienst ohne Zwang, Fleischessünden, Mord) mit voller
Strenge, d. h. mit Ausschluß bestraft wurden1.
Die Schrift De corona wird jetzt allgemein ins Jahr 211 ver-
legt und auch darüber herrscht kein Zweifel, daß sie mit ihrer
gemäßigteren Sprache vor die montanistischen Hauptschriften
de monog., de jejun. und de pud. fällt. Ob der Bruch mit der
katholischen Kirche zur Zeit ihrer Abfassung nur innerlich oder
auch schon äußerlich vollzogen war, macht für die Bewertung
unserer Stelle deshalb nichts aus, weil Tertullian keinen Unter-
schied zwischen Montanisten und Katholiken in Behandlung er-
zwungener und freiwilliger Delikte andeutet, während er in c. 1
(,,Νονί et pastores eorum in pace leones, in proelio cervos“) über
die Flucht katholischer Kleriker in der Verfolgung spottet. Also
waren damals Katholiken und Montanisten in der Be-
strafung dieser Sünder mit (dauerndem) Ausschluß noch
einig. Sonst hätte Tertullian sicher eine bissige Bemerkung ein-
fließen lassen. Auch das zeigt unsere Stelle, daß sich Tertullian
eine etwaige Lockerung der Sitten nur bei erzwungenen
götzendienerischen Handlungen beginnend und von da auf frei-
willige Sünden fortschreitend denken kann, daß er also noch keine
Ahnung davon hat, daß die laxatio gerade bei Fleischessünden
beginnen und er einmal genötigt sein sollte, die Ungereimtheit
einer Haltung, die den Fleischessündern Verzeihung gewährt und
den unter Folterqualen Gefallenen sie verweigert, der Öffentlich-
keit darzutun (De pud. c. 22).
5. De pudicitia im Lichte von De monogamia und De
j e j unio.
Zum selben Ergebnis führt noch eine andere Erwägung.
De monog. c. 15 (Oehler I, 785) heißt es: Plane qui expro-
brant nobis duritiam vel haeresim in hac causa (in Sachen der
Einehe) aestimant, si in tantum fovent carnis infirmitatem,
ut in nubendo frequenter sustinendam putent, cur illam
1 De pud. 22,13 ist gerade der Fleischessünder ein „voluntarius pec-
cator“ gegenüber dem unter Folterqualen schwach gewordenen „invitus
peccator“. Daß mit „fibulam laxare“ die Wiederaufnahme der betreffenden
Sünder (in erster Linie der Fleischessünder) gemeint ist, werde ich ander-
wärts (zu „paenitentiam laxare“ bei Cyprian, ep. 55, 20) nachweisen. Man
darf nur an die „infibulatio“ denken, die dem Bilde Tertullians zugrunde
liegt. Die fibula wird lockerer, wenn dem Sünder Verzeihung in Aussicht steht.
 
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