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Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0033
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Kallist und Tertullian.

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Dieser Gedankengang Essers beruht auf einer Verwechslung.
Gewiß enthalten die beiden Stellen ähnliche Gedanken und teil-
weise dieselben Ausdrücke. Aber die Gedanken decken sich doch
nicht völlig, sondern es bleibt ein sehr bezeichnender Unterschied.
In De pud. rechnet Tertullian zu den durch „Fleischesschwäche“
veranlaßten und von der Kirche nachsichtig behandelten Sünden
ausdrücklich die zweite Ehe, Hurerei und Ehebruch. De monog.
c. 15 aber ist die von der Kirche nachsichtig beurteilte
Fleischesschwäche nur die zweite Ehe: si in tantum fovent
carnis infirmitatem, ut in nubendo frequenter sustinendam putent.
Die Wendungen „cadere in cubiculo“, „subans devinci“, „defectio
impudica“ beziehen sich hier nur auf die zweite Ehe und erklären
sich zur Genüge aus ihrer Gleichsetzung mit Ehebruch* 1. Davon,
daß in De monog. c. 15 die kirchliche Wiederaufnahme der ,,Flei-
schessünder“ schlechtweg bezeugt sei, wie Esser behauptet, kann
also keine Rede sein. Vielmehr steht gerade das Gegenteil drin.
Im Eingang des genannten Kapitels heißt es nämlich: ,,Quae
haeresis, si secundas nuptias ut illicitas juxta adulterium
judicamus? Quid est enim adulterium quam matrimonium
illicitum ?“ Dieser Gedanke setzt voraus, daß man über die Be-
handlung des Ehebruches einig war, dieser also bei den Katholiken
ebenso, wie bei den Montanisten, mit Ausschluß, mit lebens-
länglicher Buße ohne Verzeihung, bestraft wurde. Wie sollte es,
will Tertullian sagen, eine Ketzerei sein, wenn wir Montanisten
die zweite Ehe dem Ehebrüche gleichsetzen, d. h. sie so bestrafen,
wie der Ehebruch (auch von euch Katholiken) bestraft wird ? Was
ist denn der (auch von euch Katholiken mit dauernder Buße be-
legte) Ehebruch anders als eine verbotene Ehe ? Jedenfalls drehte
sich zur Zeit von De monog. der Streit nur um die zweite Ehe,
noch nicht um Unzucht und Ehebruch. Eine Einigkeit in der
Behandlung dieser Sünden war aber nur dadurch möglich, daß
sie auch von der Kirche mit Friedensverweigerung bestraft wurden,
da ja die Montanisten sie nach der klaren Aussage Tertullians wie
die zweite Ehe, also mit Ausschluß, bestraften.
erfolgten endgültigen kirchlichen Verwerfung und Ausscheidung der mon-
tanistischen Sekte.
1 Übrigens nennt Tertullian De virg. vel. c. 16 schon die erste Ehe
einen „Fall“ oder einen „Hineinfall“: sed et vos admonemus, alterius pudi-
citiae midieres, quaein nuptias incidistis. Vgl. De carne Chr. c. 6: a disciplina
Marcionis in mulierem carne lapsus. Siehe meine Schrift: Virgines Christi
(TU. 31, 2), 1907, 75.
 
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