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Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0049
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Kallist und Tertullian.

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Eine kirchliche Hilfe auf dem Todbette wird auch für die
Zeit vor dem Erlasse als unter Umständen möglich zugegeben
werden müssen. Eine solche brachte jedoch, wie bereits oben
bemerkt wurde, keine tatsächliche und sichtbare Wiederverbindung
mit der Gemeinde, keine wirkliche Ausübung der kirchlichen Rechte
vor der Gemeinde. Aber auch ohne Todesgefahr kamen außer-
ordentliche, durch besondere Offenbarungen, Träume, Erschei-
nungen, und namentlich durch Märtyrerspruch veranlaßte Wieder-
aufnahmen vor. Έλυον άπαντας, έδέσμευον δέ ούδένα heißt es
(bei Euseb. H.E. V, 2, 5) in dem Lyoner und Vienner Gemeinde-
schreiben von den dortigen Märtyrern. Und Tertullian schrieb
Ad martyr. c. 1: ,,Pax vestra bellum est illi (sc. diabolo). Quam
pacem quidam in ecclesia non habendes a martyribus in carcere
exorare consueverunt. Et ideo eam propterea in vobis habere et
fovere et custodire debetis, ut, si forte, et aliis praestare possitis“* 1.
Und von Cyprian erfahren wir, daß er während der decischen Ver-
folgung den Gefallenen nur auf die Fürsprache eines Märtyrers
hin den Kirchenfrieden auf dem Todbette zu gewähren bereit war
(Ep. 18, 1; 19, 2), ehe eine noch weitergehende Milde beschlossen

zucht Marcions, wie sie Epiphanius berichtet, weiß Tertullian nichts ·—
wiederholt ausgeschlossen und schließlich dauernd „relegiert“ worden seien.
Doch sei dem Marcion, als er sich zur Buße meldete, die pax in Aus-
sicht gestellt worden, wenn er auch die von ihm Verführten zur Kirche
zurückbrächte, er sei aber vom Tode überrascht worden. Nach De pud.
13, 20 und 19, 5 erhält keine venia, wer vom wahren Glauben zur Ketzerei
(„blasphemia“) übergegangen ist, während die in der Ketzerei Erzogenen
nach geleisteter Buße durch die katholische Taufe in die Kirche auf-
genommen werden. Diese montanistische Strenge gegen die „blasphemi“
bestätigt aber nur, daß die Dreizahl der unvergebbaren Sünden nicht
montanistischen, sondern kirchlichen Ursprungs war und die Montanisten
den Kreis dieser Sünden erweiterten, während die Katholiken ihn ein-
schränkten. Vgl. meine Bemerkungen über büßende Haeretiker bei Ire-
näus, Zeitschr. f. neutest. Wiss. 1908, 37. Wie die einem Marcion für die
Wiederaufnahme gestellte Bedingung noch später eine Rolle spielte, zeigt
Cyprians Ep. 55, 11.
1 Es ist bezeichnend, daß der Begriff pax, der in De paen. vollständig
fehlt (s. oben S. 37), bei der Tätigkeit der Märtyrer schon vor De pud. auf-
taucht. Dem armen Tertullian werden alle Vorwürfe, die er gegen seine
Widersacher geschleudert hat, von den heutigen katholischen Theologen ver-
golten. So wirft ihm Adam (S. 17) vor, er habe De pud. 22 die Interzessions-
macht der katholischen Märtyrer in eine Absolutionsgewalt umgedeutet.
Woher weiß denn Adam so bestimmt, daß die Märtyrer in der Kirche nie
eine Lösegewalt ausgeübt haben?
 
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