Metadaten

Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0099
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kallist und Tertullian.

95

in Beziehung stehende Kirche oder den Vertreter einer solchen
Kirche, also auch auf ihn übergegangen sei. Zur Annahme, daß
„Petri“ nicht unmittelbar von „propinquam“, sondern von einem
aus „ecclesiam“ zu ergänzenden „ecclesiae“ abhängig sei — so
auch Bardenhewer, Gesch. d. altkirchl. Lit. II2 * (1914), 637 —,
liegt keine Nötigung vor, es ist vielmehr Petrus selber gemeint,
nicht die Kirche Petri: jede mit Petrus verwandte und zusammen-
hängende, von Petrus herstammende, zu Petrus in Beziehung
stehende d. h. eben jede katholische Kirchengemeinde
oder jeder katholische Bischof als ihr Vertreter hat die
Sündennachlassungsgewalt1. Der Zusammenhang mit Petrus muß
nicht gerade — wie auch Harnack (Der ps.-cyprianische Traktat
de aleatoribus TU. 5, 1 1888, 73f.) annimmt — in einer Verbindung
mit der römischen Kirche liegen. Vielmehr ist katholisch und
Träger der Lossprechungsgewalt jeder Bischof, dessen amtliches
Dasein auf Mt. 16, 18f. zurückgeht, der ein rechtmäßiger Nach-
folger Petri, des zuerst bestellten Apostels, ist, jede Kirche, die
durch ihren Bischof mit Petrus, dem ersten Träger des kirchlichen
Amtes, zusammenhängt. Kallist leitet also von Mt. 16, 18f.
die Amtsgewalt der Bischofskirche, speziell ihre Binde-
und Lösegewalt her. Er folgert als Bischof, nicht gerade als
römischer Bischof, und jeder andere Bischof kann in seinem Sinne
ebenso folgern2.
1 Daß „omnem ecclesiam“ mit „jede Kirche“ zu übersetzen sei, sagt
jetzt auch Esser (1914 19 A. 2) mit Entschiedenheit. Adam (S. 48): „Das
beigefügte omnis besagt, daß nicht an Rom, sondern an die Gesamtheit der
mit Rom in Verbindung stehenden Kirchen gedacht ist.“ Damit taucht bei
Adam in diesem angeblich rein afrikanischen Streite auf das Stichwort Petrus
hin auf einmal wie ein deus ex machina Rom auf. Übrigens widerspricht
sich Adam selber, wenn er hier die „Verwandtschaft“ der karthagischen Kirche
mit Petrus darin erblickt, daß sie von Rom her sich ihre apostolische Lehr-
autorität geholt habe (also nicht selber von einem Apostel oder Apostelschüler
gegründet worden sei), während er S. 54ff. schon damals die Legende vom
apostolischen Ursprung der karthagischen Kirche wirksam sein läßt. In
Wirklichkeit ist die Wendung „omnis ecclesia Petri propinqua“ so gehalten,
daß darin jede katholische Bischofskirche eingeschlossen, jede außerkirchliche
Gemeinschaft ausgeschlossen ist. In der Konsequenz dieses Gedankens liegt
auch die Ungültigkeit der Ketzertaufe (s. oben S. 52 f.).
2 Harnack, Lehrb. d. DG.4 I, 416: „Es ist der römische Bischof, der
zuerst aus dem Satze, daß die Bischöfe per successionem auf die Apostel
zurückgehen und ihren locus magisterii verwalten, eine Theorie abgeleitet
hat, kraft welcher alle apostolischen Gewalten auf die Bischöfe übergegangen
sind, die deshalb auch ganz besondere Standesrechte und -pflichten haben.“
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften