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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 7. Abhandlung): Agatharchidea — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37684#0043
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Agatharchidea.

43

Ehe wir uns der Einzelbetrachtung zuwenden, möchte ich
wiederholen, daß es hier nicht darauf ankommt, den Lehrgehalt
des Stückes erschöpfend aufzuarbeiten und namentlich nicht
darauf, ihn in alle seine späteren Verästelungen zu verfolgen. Es
genügt für unsere Zwecke, wenn wir zeigen, daß wir dem Eingangs-
satz entsprechend mit dem älteren Pythagoreismus sowie Akademie
und Lyzeum überall auskommen, und wenn wir anderseits das
gelegentliche Zusammentreffen mit den benannten Agatharchidea
feststellen.
Voraussetzung für § 1 ist offenbar eine pythagoreische Dia-
dochenliste. Die am Schluß von Jam blichs Pythagoras (265) erhal-
tene1 bietet zunächst nur die sechs Namen Pythagoras, Aristäus,
verteidigt wurde, hat Diels das Nötige gesagt, Sibyll. Blätter 22. Und das
Anthropologisch-kulturgeschichtliche? Anacharsis hat die Töpferscheibe er-
funden und Demokrit den Bogenbau (Seneca ep. 90, 31 f.)! Beim Nilproblem
scheut sich der gewiß nicht unbedeutende Geograph nicht, mit den Albern-
heiten der stoischen Homerexegese aufzuwarten (δαπετής, Strabo 17, 790).
— Άπο τής δύσεως ευρώ πλέων ελθοι αν εις Ινδούς, sagt er bei Strabo 2,
102; „in Cadix, wo sein Columbusauge nach Indien hinüberschweift“, be-
merkt dazu Jäger, Nemesios 96. Doch ist es unerfindlich, wenn jemand
schon überzeugt war, die Erde sei eine Kugel, und er von Amerika nichts
wissen konnte, wieso es zu dieser einfachen Schlußfolgerung eines Columbus-
auges bedurfte, des Auges nicht eines Träumenden, sondern eines Handeln-
den. Und so ist’s fast immer: es ist aus einem gewiß nicht unbedeutenden,
und wie vor allem anerkannt werden muß, aus einem warmherzigen Manne
mit vielen Schwächen ein προτέρημα τής φύσεις künstlich zurecht gesteigert
worden. Seine Schriften waren freilich ein wirkungsvoller Ausdruck ihrer
Zeit, philosophisch aber verdankten sie doch wohl das Beste nicht eigener
schöpferischer Kraft, sondern neben dem ewig frischen fermentum Platonicum,
das in ihnen sich rührt, dem Zwange, mit der tief dringenden und wahrhaft frucht-
baren Kritik des Carneades und mit den Gedanken des eigenen Lehrers
Panätius sich dauernd auseinander zu setzen. — Pompeius’ sehr politische
Ehrenerweisung, auf die immer wieder hingewiesen wird, besagt wahrlich
wenig. Von einem Eindruck persönlicher Größe solchen Maßstabes, wie sie
der heutige Posidoniuskult voraussetzt, spürt man in der römischen Literatur
nirgends auch nur das geringste. Rudberg urteilt mit erfreulicher
Maßhaltung (vgl. S. 49). In seinem Platon (1, 724) hebt v. Wilamowitz
den Mangel an Originalität treffend hervor, freilich mindere der, so sagt er,
die Bedeutung dieser eklektischen und den Hellenismus abschließenden
Philosophie nicht. Posidonius bleibt auch ihm „nur dem Aristoteles ver-
gleichbar“ und ist (726) so recht „der Philosoph des augusteischen Welt-
reichs“.
1 Welche über Apollonius (Roi-ide, Kl. Sehr. 2, 169) vielleicht auf
Timäus zurückgreift; vgl. Bertermann, De Jambl. vit. Pyth. fontibus
Diss. Regim. 1913, 37 f.
 
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