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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 7. Abhandlung): Agatharchidea — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37684#0091
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Agatharchidea.

91

Autor will zwar gar nicht, wie Zeller (443) annimmt, einen
Abriß der pythagoreischen Lehre geben, aber es ist richtig, daß in
einem solchen die Einzelheiten der irdischen Naturbereiche auch
nicht sehr eingehend behandelt sein würden. Von dem Standpunkt
aus, den wir für den Verfasser in Anspruch nehmen, erklärt sich
alles sehr einfach: dem ganz vorwiegend anthropogeographisch
gerichteten Agatharchides kommt es vornehmlich auf den Lebens-
raum des Menschen und seine Bedingungen an. Mit seiner kosmi-
schen Bedingtheit hatte er begonnen. Nun wendet sich die Betrach-
tung dem so bedingten Menschenwesen selber zu. Dabei tritt von
selbst zuerst (§ 16) die Frage nach der kosmischen und also ewigen
Natur der Seele hervor.
Ansätze zu einer Syndesmos-Lehre, die den Menschen auf die
Grenze von Zeit und Ewigkeit stellt, sind, wie wir früher bemerkten,
gleichsam latent in der Gesamtanschauung vom Universum vor-
handen, besonders auch im folgenden Paragraphen, der dem Men-
schen zu Vorzug wie Schaden die Mittlerstelle zuweist, die an
allem teilhat, am Höchsten wie am Niedrigsten. Aber klar ent-
wickelt war, wie wir sahen, die Syndesmoslehre noch nicht. Wäre
sie es, so wäre auch der Unsterblichkeitsglaube selbstverständlich
mit ihr gegeben (vgl. Jäger, Nemesios 140). Es liegt aber auch
ohne das nahe genug, die τόποι περί κόσμον und περί ψυχής mit-
einander zu verbinden; vgl. z. B. Eusebius, praep. 15, 9ff., wo
Atticus den Aristoteles als Gegner des platonischen Ünsterblich-
keitsglaubens hinstellt. Dies führt uns zugleich auf die polemische
Bemerkung unseres Autors über die rechte Auslegung des Aristoteles.
Es ist bekannt, daß dieser tatsächlich verschiedenen Deutun-
gen Raum läßt1. Es müssen darüber scharfe Meinungsverschieden-
heiten bestanden haben, und zwar ist eine solche Polemik, wie sie
hier zum Ausdruck kommt, auch lange vor der Philologisierung des
aristotelischen Studiums durchaus verständlich. Agatharchides
der Peripatetiker, um unseren Anonymus wieder einmal mit seinem
rechten Namen zu nennen, spricht von unzureichenden Aristoteles-
interpreten in der Mehrzahl. Noch ein Zeitgenosse von ihm dieser
Art war Critolaus, der nur die generelle Unsterblichkeit aner-
kannte : τής φύσεως, δπερ ούκ Ι'σχυε λαβεΐν ημών έκαστος, τουΙΡ
1 Bezeichnend ist die Unsicherheit selbst eines Mannes wie Aristocles
bei Alex. Aphr. ψυχ. 113, 2 Br.: ελεγεν δή, δτι, εί δλως ύπολαμβάνειν χρή
κατά Αριστοτέλη -9-εΐον και άφΑαρτον είναι τον νουν, ούτως ήγεΐσ-8-αι δεΐν, ούκ
άλλους.
 
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