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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 7. Abhandlung): Agatharchidea — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37684#0099
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Agatharchidea.

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nen erkenntnistheoretischen Schema versagt er dem Tier den
λόγος. Auch Vertreter der neuesten Forschung werden seinen
glücklich formulierten Satz unterschreiben: παν θηρίον διδάσκεται
σωφρονεΐν ού λόγω τήν εκδοχήν του κρείττονος μανθάνον, παρα-
πεπλεγμένης δ’ εναλλάξ τω πάθει τής μνήμης (456 a 29; vgl. Diodor
3, 37, 7). Mit Vorbehalt gibt er bei gewissen Tieren zu: διδασκαλίας
μεθοδικής επί ποσόν άπτονται (455b 14; vgl. Diodor 3, 35, 4), doch
glaubt er z. B. nicht an wirkliches Sprechvermögen: τούτο δε καί
μιμεΐσθαί τινες τήν άνθρωπίνην διάλεκτον διηγούμενοι ημάς ού πεί-
θουσιν (456 a 9; vgl. Diodor 3, 35, 10).
Ferner ist für das erste Paar bezeichnend der schroffe Satz:
αίσθησις γνώσις ψευδής διά σώματος. Schon bei Alcmäon bildet
αίσθάνεσθαι und ξυνιέναι oder φρονειν einen auch von Plato
festgehaltenen Gegensatz, der Mensch und Tier scheidet (VS l2,
101, 13ff. und Fr. la ehd. 103, 25), aber so stark herabgesetzt wie
hier wird die Sinnenwahrnehmung selbst in der alten Akademie
nicht. Die ps.-platonischen όροι sagen viel milder 414G: άφ’ ής
γίγνεται ψυχής άλογος δύναμις γνωριστική διά σώματος1.
Dasselbe gilt für Xenocrates, dessen Erkenntnistheorie Heinze
S. 2 ff. auf Grund von Sextus adv. math. 7, 147 ff. herstellt, und
der in anderer Hinsicht mit unserem Autor sich wieder ebenso
bezeichnend wie auffällig berührt. Bei ihm handelt es sich um eine
Dreiheit, die ja auch beim Anonymus im Grunde vorliegt, wenn er
nach untermenschlich, menschlich, übermenschlich scheidet. Bei
Xenocrates heißen die beiden Extreme α’ίσθησις und επιστήμη,
die δόξα stellt auch er in die Mitte2. Sie ist ihm aus αισθησις
und επιστήμη zusammengesetzt (eignet sich also auch nach dieser
Voraussetzung vorzüglich für den Menschen in seiner Mittel- und
Grenzstellung). Zugleich wird es ganz den Ansichten des Ano-
nymus entsprochen haben, wenn Xenocrates der αί'σθησις die
ουσία εντός ούρανοΰ zuwies, der επιστήμη die νοητή ούσία έκτος
ούρανοΰ (beim Anonymus gliedert sich das in έπιστήμη σοφία νους),
der δόξα die ούσία αύτοΰ τού ούρανοΰ (sie ist von der gleichen
Mischart: ορατή δι’ αίσθήσεως, νοητή δι’ αστρολογίας seil, έπιστή-
1 Vgl. Aetius 396, 17: οί άπό τής Ακαδημίας υγιείς μέν, δτι δι’ αύτών
οϊονται λαβεΐν άληθινάς φαντασίας, ού μην ακριβείς.
2 Daß sie auch Platon schon gelegentlich von der αΐσθησις unter-
schied, folgt aus Aristoteles’ Psych. 404b 25, ein Zeugnis, an dem nicht mit
Heinze S. 3 zu rütteln ist. Es geht auf mündliche Lehrmeinungen Platons;
vgl. auch oben Ps. Archytas.
 
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