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Goldschmidt, Richard H.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 6. Abhandlung): Postulat der Farbwandelspiele — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38940#0028
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R. H. Goldschmidt:

der Tonstärkeverteilung im akustischen Rhythmus). Die Bewe-
gungstendenzen eines solchen Gemäldes lassen sich experimental
leicht zum Bewußtsein bringen, indem die Umrahmung verschoben,
also einseitig ein Teil der Bildfläche verdeckt wird, wodurch dann
das innere Gleichgewicht im Gemälde eine Störung erleidet. Es
gibt nun eine unübersehbare Fülle von Möglichkeiten, eine Bild-
fläche rhythmisch aufzuteilen, schon nach der Wahl der Farben
und Formen, sowie nach Art der Gliederung und nach Lage der
Bildteile, hierbei zumal durch unterschiedliche Kombination der
Bewegungstendenzen, die den einzelnen Bildteilen in einer jeweils
besonderen Weise zukommen, und im Sinne eines Parallelogramms
der Kräfte sich auswirken können. Und es ist verständlich, wenn
sich der rhythmischen Aufteilung der Bildfläche künstlerisches In-
teresse ganz besonders zuwendet. Ein solches Interesse besteht
auch für einen Gegenstand-darstellenden Künstler, zumal bei fort-
schreitender Verfeinerung des Geschmacks für die Gemälde-Kom-
position als solche, oder für die rhythmische Aufteilung der Bild-
fläche, sowie auch bei Reaktion gegen eine Vernachlässigung des
kompositioneilen Momentes im vorausgehenden Kunstgeschmack.
Dann wird die abstrakte Malerei ein Mittel zum Zweck, Skizze,
Vorstudie zur Gemälde-Komposition, tritt also dem Beschauer mit
den besonderen, auch intellektualen Anforderungen des Skizzen-
haften gegenüber.
Die abstrakte Malerei kann andererseits Selbstzweck werden.
»,,der abstrakte maler“ verzichtet auf die Wiedergabe von Per-
spektive eines menschlichen kopfes, eines tieres oder eines baumes
mit malerischen mittein. er will nicht mehr im engeren oder wei-
teren sinne „abbilden“, durch diesen verzieht auf das abbilden
der äußerlich sichtbaren form der dinge entsteht das abstrakte
kunstwerk.« »,rhythmus‘ ist das wesen des abstrakten bildes;
rhythmus im bilde, also im formalen sinne, bedeutet gegensatz
zwischen breit und schmal, lang und kurz, rund und eckig, spitz
und stumpf, intensivfarbig und grau, hell und dunkel, weiß und
schwarz, weich und hart, glänzend und lichttrinkend.« »,das ab-
strakte bild‘ kennt kein oben und unten mehr, da nichts mehr ,dar-
gestellt4 ist, was senkrecht oder wagrecht stehen muß. Das abstrakte
bild ist drehbar, je nach dem persönlichen geschmack gewinnt man
eine ansicht mehr lieb als die andere.« (nach den »erklärungen zur
erleichterung des Verständnisses für abstrakte farbenkunst« der
»abstrakten hannover .... august 1927«; vgl. 9.). Es mag nun
 
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