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Goldschmidt, Richard H.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 6. Abhandlung): Postulat der Farbwandelspiele — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38940#0043
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Postulat der Farbwandelspiele.

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Erfahrungen, und wurde von den eigentümlichen Schönheiten
der Malerey allzu sehr verdunkelt. Dir, großer Newton! hat das
menschliche Geschlecht für diese Entdeckung verbunden sein
sollen, und so viele Jahrhunderte mußten Dir auch diesen unsterb-
lichen Ruhm Vorbehalten.«
»Man ist aber noch so glücklich nicht gewesen, diese Harmonie
der Farben auf ihre wahre Stufe zu erheben, und zu der Mutter so
vieler Ergötzlichkeiten zu machen, als die Harmonie der Töne.
Die Farbenklaviere scheinen mehr zu versprechen als sie in der
That leisten. Ich räume ihnen die harmonische Vermischung und
Abwechselung der Farben, die Quelle der sinnlichen Schönheit, ein.
Auch die sinnliche Wollust, die Verbesserung unserer Leibes-
beschaffenheit kann ihnen schwehrlich streitig gemacht werden.
Es ist höchstwahrscheinlich, daß die nervigten Teile des Auges und
ihre harmonischen Spannungen auf eben die Art von den Farben,
wie die Gefäße des Gehörs, von den Tönen verändert werden. Daß
sich diese Eindrücke von den Gliedmaßen des Gesichts auch ebenso
schnell und ebenso stark auf das ganze Nervengebäude verbreiten,
als von den Gliedmaßen des Gehörs, ist zwar noch so ausgemacht
nicht. Man kann es aber auch nicht mit Gewißheit läugnen. Allein
die Quelle der Vollkommenheit, die Nachahmung der mensch-
lichen Handlungen und Leidenschaften? Kann uns eine Farben-
melodie mit diesem Vergnügen seegnen ? Die Leidenschaften werden
natürlicher Weise durch gewisse Töne ausgedrückt, daher können
sie durch Nachahmung der Töne in unser Gedächtnis zurück-
gebracht werden. Welche Leidenschaft aber hat die mindeste Ver-
wandtschaft mit einer Farbe?«
Solche Fragen ziehen unter den schönen Künsten nur die-
jenigen in Betracht, die nach Art der Instrumentalmusik einen
ästhetischen Gegenstand bilden, gleichsam zur menschlichen
„Innenwelt“ in einer „unmittelbaren“ Beziehung stehen, indem
sie, als Träger künstlerischer Werte, selbst Ausdruck und Erweckung
„innerlichen“ Erlebens gestatten; außer Betracht bleiben demnach
von vornherein diejenigen schönen Künste, die nach Art der Land-
schaftsmalerei nur durch die ästhetische Gestaltung eines an sich
außerästhetischen Gegenstandes künstlerisch wirken, gleichsam
Gegenstände der „Umwelt“ abbildend darstellen und so erst durch
deren Eindruck hindurch, also „mittelbar“ auf den Menschen
wirken. Es werden zwar von beiderlei Künsten die Erlebnisse
durch Sinneseindrücke hervorgerufen, etwa durch die Klänge eines
 
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