Metadaten

Goldschmidt, Richard H.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 6. Abhandlung): Postulat der Farbwandelspiele — Heidelberg, 1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38940#0082
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

R. H. Goldschmidt:

folge in etwa chaotisch, wie ein Klaviergeklimper. Die Ablehnung
solcher chaotischer Farbfolgen pflegte aber minder stark zu sein,
wie bei einer Beleidigung des Gehörs (das ja allein schon dank seiner
entsprechenden Vorbildung, etwa durch Musikerlebnisse, Sukzes-
sionen der Eindrücke im Zusammenhang aufzufassen, ungemein
stark bereit ist). Bisweilen stieß eine Farbfolge bei einigen Beob-
achtern auf Unempfänglichkeit, so, daß bei ihnen ein chaotischer
Eindruck entstand, während andere Beobachter die gleiche Farb-
folge als Postulat-adäquat erleben konnten. Sobald nun die Farb-
folgen irgendwie chaotisch erschienen, pflegten sie als eine un-
zusammenhängende Reihe von ,,Simultan“phasen erlebt zu werden
(zumal wenn jeweils gleichzeitig mehr als ein Farbenton zur Dar-
bietung gelangte). Entsprechend kann auf anderem Gebiete, beim
Anhören etwa einer schwerverständlichen Symphonie, von musi-
kalisch-nicht-Vorgebildeten (im Geltungsbereich der europäischen
Musik) statt einiger oder aller sukzedierenden Faktoren, wie Melodie
und Rhythmus, lediglich oder vornehmlich die Klangfülle in einer
wenig- oder gar nicht-zusammenhängenden Reihe (etwa harmo-
nischer) ,,Simultan“phasen zur Auffassung gelangen.
Die »Experimental-Untersuchungen über das Erleben ,postu-
lierter Farbdarbietungen“ in Gestalt eines Lichtnebelgewoges« ließen
bei ihrer Weiterführung fortschreitend immer mehr die Farben
als solche in ihrem Wandel auffassen. Hierbei entwickelte sich
parallel mit einer fortschreitenden Verfeinerung der „Farbempfäng-
lichkeit“ eine zunehmend starke Ablehnung gegenüber „chao-
tischen Farbfolgen“ (besonders bei denjenigen Beobachtern eines
Farbenwandels, die selbst ihn auch dargeboten, aber auch bei den-
jenigen, die ihn nur betrachtet hatten).
Und das Darbieten von Farbfolgen gelang durch fortschreitende
Übung im Beherrschen der Apparatur immer besser. Auch ge-
wannen die eigenen Farbdarbietungs-Postulate an Klarheit und
Deutlichkeit, vielleicht verfeinerten und komplizierten sie sich auch
fortschreitend; jedenfalls gelang es allmählich, nicht nur gelegent-
lich, dank einem glücklichen Zufall (wie zu Anfang), sondern mit
wachsender Treffsicherheit, „postulierte Farbdarbietungen“ zu
schaffen, und diejenigen Farbfolgen zu exponieren, die dem gei-
stigen Auge vorschwebten.
Solche postulierten Farbdarbietungen waren in ihrer Sukzes-,
sion gleichsam so, wie auf musikalischem Gebiet kurze melodische
Tonfolgen. Dabei konnte durch einen einleitenden Farbenwandel
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften