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YI. Sein als Erkenntnisprädikat, als Denkprädikat u. als Copula. 137

gemeinsame Moment des Seins überhaupt enthalten ist, mit irgend-
einem ontologischen Vorzug auszustatten. Dazu eignet es sich
nicht. Die Logik vermag im übrigen nur den Begriff des Ur-
prädikats überhaupt festzustellen, und alle besonderen Urprädikate
sind für sie lediglich Beispiele.
Wir brauchen aber auch in unserm logischen Interesse, d. h.
um einen Einblick in die Struktur der wahren Sinngebilde zu
bekommen, die von etwas aussagen, daß es „sei“, auf Fragen
wie die soeben angedeuteten nicht weiter einzugehen. An ihrer
Beantwortung hängt die Entscheidung über das, was hier wichtig
ist, nicht. Es genügt, wenn wir dies feststellen: wie es sich mit
dem ,,ontos on“ auch verhalten mag, das Tasso meint, oder was
vorliegen mag, wenn das Sein als „wahres Sein“ Prädikat ist und
dann gegenständliche Erkenntnis gibt — stets kommt zu dem all-
gemeinen Sein notwendig eine besondere Bestimmung hinzu, die
es differenziert, und zwar in analoger Weise, wie die Zusätze „sinn-
lich wirklich“, „unsinnlich geltend“ oder „ideal existierend“ das
tun. Dann aber können wir weiter sagen: falls das Prädikat „sein“
in jedem Falle logisch eines solchen Zusatzes bedarf, damit es
sich in einer gegenständlichen Erkenntnis verwenden läßt, brauchen
wir auch kein Bedenken zu tragen, der allgemeinen Formel „etwas
ist seiend“ eine Sonderstellung zuzuweisen, die es nicht ge-
stattet, sie mit den zuerst genannten verschiedenen Formeln „etwas
ist (sinnlich) wirklich“, etwas ist (unsinnlich) geltend usw. auf einer
Linie zu behandeln.
Wir kommen vielmehr zu folgendem Ergebnis: die Formel
„etwas ist seiend“ ist zweideutig und schon deswegen mit größter
Vorsicht zu verwenden. Entweder braucht sie das Wort „sein“ als
„wahres Sein“, als „ontos on“ oder in anderer Weise im Unter-
schied von den andern Seinsarten, die dann als nur „sinnlich wirk-
lich“ oder als nur „unsinnlich geltend“ oder als nur „ideal exi-
stierend“ zu charakterisieren sind. Dann ist sie, damit kein Miß-
verständnis entsteht, durch einen Zusatz wie „wahrhaft seiend“ zu
kennzeichnen. Das interessiert uns an dieser Stelle zunächst nicht
weiter. Dann bleibt alles beim Alten.
Wir können außerdem aber die Formel auch so verstehen,
daß sie das allen Urprädikaten gemeinsame Moment des prä-
dikativen Seins überhaupt herausheben soll. Dann muß sie jedoch,
falls es sich um gegenständliche Erkenntnis handelt, als noch
unvollständig bezeichnet werden. Sie enthält, so verstanden.
 
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