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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0078
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78

Martin Dibelius:

das die Magier eintreten. Justin und Origenes verbinden die Über-
lieferung von der Hoble mit dem biblischen Bericht von der Krippe;
aber Origenes bietet keine Erzählung, und Justin gründet die seine
auf die Voraussetzung, daß Maria die Unterkunft in Bethlehem,
verlassen und in einer Höhle, offenbar einer als Stall benutzten
Höhle, geboren habe. Diese Voraussetzung, die von manchen
Neueren mit Hinweisen auf Höhlenställe gestützt wird, wird aber
durch den Wortlaut von Lk. 2, 7 widerlegt (s. oben S. 59f.).
Wir haben also mit einer besonderen apokryphen Tradition
über Jesu Geburt in einer Höhle zu rechnen, und es fragt sich,
woher sie kommt. Justin beruft sich auf Jes. 33, 16 ούτος οίκήσει έν
ύψηλω σπηλαίοι πέτρας ίσχυράς (Dialogus 70, 1; 78, 6); aber es läßt
sich nicht nachweisen, daß dieses Kapitel für die Biographie Jesu
eine Bedeutung gehabt habe. Auch die angebliche Tendenz, die
Geburt Jesu ohne ungläubige Zeugen und darum an einsamem Ort
geschehen zu lassen1, wird man kaum für die Entstehung der Über-
lieferung verantwortlich machen; apologetisches Interesse hätte
sich zum Bibeltext kaum in dieser Weise in Widerspruch gesetzt.
Die einfachste Lösung des Problems scheint mir immer noch das
Vorhandensein einer heiligen Höhle in oder bei Bethlehem2 zu
bieten. Origenes weiß bereits, daß die Höhle gezeigt wurde, und
daß es eine kultisch bedeutsame Höhle war, bestätigt eine Angabe
des Hieronymus epistula 58, 3, 5. Er will den Adressaten Paulinus
darüber trösten, daß er Palästina nicht gesehen habe, und weist
auf allerlei Unwürdiges hin, das die heiligen Stätten entweiht habe:
Bethleem nunc nostram et augustissimum orbis locum, de quo
psalmista canit: ueritas de terra orta est, lucus inumbrabat Thamuz,
id est Adonidis, et in specu, ubi quondam Christus paruulus uagiit,
Ueneris amasius plangebatur. Die bethlehemitische Höhle war also,
zum mindesten in den Zeiten nach Christi Geburt, ein Kultheiligtum
des babylonischen Tammiiz oder des syrischen Adonis. Wenn wir
annehmen dürfen, daß diese Höhle seit alten Zeiten einem Kult
geheiligt war, dann könnte man die Geburt dort lokalisiert haben,
1 W. Bauer, Leben Jesu im Zeitalter der Apokryphen 65f. begründet
die Tradition \ron der Höhle auf diese Weise.
2 Pie Geburtskirche mit ihrer Höhle liegt außerhalb des Osttores der
alten Stadt s. Dalman, Orte und Wege Jesu3 35f. So würde sich das Schwan-
ken der Zeugen erklären: Justin redet sonst von der Geburt in Bethlehem
(Apol. I 34. If.; Pial. 102, 2; 103, 3), nach Dial. 78, 5 aber liegt die Höhle
συνεγγύς τής κώμης, vgl. die Historia Josephi 7 ,,zu Bethlehem, in einer Höhle,
nahe dem Grabe der Rahel“.
 
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