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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0011
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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ihm gar dieses Erkenntnisvermögen, um jegliches Seiende als
Wahrzeichen des Gutseins zu deuten, so würde alle dialektische
Unterweisung in der Ideenlehre formal und nutzlos bleiben; es
würde seinem Denken die innere Kraft mangeln, der Eros und Enthu-
siasmus zum Guten, der allein uns befähigt, Philosophie als wahr-
hafte ‘Liebe zum Wissen’ unter Gleichgesinnten zu stiften und in
Gemeinschaft mit ihnen den Denkweg vom Sinnlichen zum Seienden
wirklich zu gehen und dann von der Erkenntnis der Ideen aus das
einzige, wahre Gute sichtbar zu machen, vom einzigen und wahren
Guten aus wiederum alle Erkenntnis, alle Wahrheit und alles Sein
als göttlich durchwaltet zu begreifen.
Zusammengefaßt, alles Empirische soll zu einer Welt ‘unter’
uns werden; das Ideelle müssen wir als eine Welt ‘über’ uns sehen
lernen; das ‘Jenseits’ Gottes aber muß als überweltlich und super-
transzendent begriffen werden. Aus diesen Positionen ergab sich
die charakteristische Systemform des genuinen Platonismus, die
nicht nur trotz aller Varianten Platons, sondern auch trotz aller
Entwicklung seines eigenen Denkens dieselbe blieb: denn seine
Entwicklung war, daß sein Denken immer systematischer wurde.
Diese Systemform vereinigte Tmematik und Methexis, sie lehrte
die ‘Zerklüftung’ der Bereiche und dennoch die ‘Rettung’ der
Phänomene, sofern das Weltliche durch Teilhabe an den Ideen
die Beziehung zu ihnen und zu Gott erhält. Dasjenige Wesen
aber, dem der Erwerb dieser Beziehung durch eigene Arbeit
‘unter viel Mühen und Schwierigkeiten’ zur Aufgabe gesetzt ward,
ist die vernünftige Seele des Menschen. Sie geht nicht im Werden
auf wie die Phänomene; sie ist nicht wahrhaft seiend wie die Ideen;
sie ist auch nicht ein Teil Gottes. Aber ihr ist der ‘Weg’ der Er-
kenntnis vom Werdenden zum Seienden und zum Göttlichen als
ihre eindeutige Bestimmung gesetzt; sie soll dem phänomenalen
Bereiche sich so weit entziehen, daß Wahrheit und Gott ihr dauernd

menschlichen Tyrannen bildlich vertreten. Der Tyrann begeht den Frevel,
sich an die Stelle zu setzen, wo das durch eine Idee legitimierte Gesetz stehen
sollte; er macht also die Willkür zum Prinzip, während andere sie nur nebenher
betreiben. Aber an wahrer Form gemessen ist der Tyrann für Platon ein
Scheingebilde, dessen Sein nicht über die empirische Sphäre hinausragt;
sein Ungutes steht auf gleichem Niveau wie die Schmeichelkunst des Dem-
agogen, welche der zum Dienen bestimmten Masse einredet, sie habe einen
auf Verständnis gegründeten Willen (Soxslv statt (ßoükeaüoa, Gorgias).
 
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