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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0013
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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lösbar auf einander angewiesen. Wir könnten das Eine als Eines
gar nicht denken, ohne bereits zugleich das Viele als das korrelatio-
nal-Andere mit zu denken; beide Begriffe sind also logisch über-
haupt nur in Bezug auf einander möglich. Wenn wir den Bereich
des Ewigen, Unbedingten, Unwandelbaren denken wollen, so dürfen
wir ihn weder mit den Eleaten nur als starre Einsheit noch mit
den Mechanisten nur als sclrlechthinige und grenzenlose Vielheit
denken, sondern wir müssen ihn zugleich als ‘das Eine und das
Viele’ denken, als die durch Einheit konstituierte Vielheit. Ein
‘absolut Eines’ ließe sich ebenso wenig denken wie ein ‘grenzen-
los Unendliches’, denn beiden Begriffen würde jene Bestimmtheit
fehlen, die für die Denkbarkeit Voraussetzung ist. Das Eine und
das Viele müssen in Korrelation gedacht werden; das unbedingt
Eine aber ist Gott in seinem absoluten Gutsein, die urbildliche
Vielheit ist die Ideenwelt der notwendig vielgestaltigen Wahrheit.
Beide dürfen weder in Eins vermengt, noch darf eins von beiden
gegen das andere isoliert werden, sondern beide müssen als ‘Zweier-
lei miteinander’ gedacht werden1. -— Doch noch aus einem anderen
Grunde dürfen wir uns Gott nicht schlechthin als den einheitlichen
Inbegriff der Ideen denken, und ebensowenig die Vielheit der Ideen
einfach als Hervorgang aus Gott; denn Gott und die Ideen besagen
für unser kausales Denken zweierlei ‘Verschiedenes’. Dringt unser
Denken sowohl bis zu den Ideen wie bis zu Gott vor, so dringt es
zwar beide Male bis zu letzten ‘Gründen’ vor, aber es handelt
sich um zwei wesenhaft verschiedene Arten von Gründen: Es ist
etwas anderes, ob unser Erkenntnis suchendes Denken nach den
‘Gründen’ für die Wahrheit des Erkannten fragt, d.h. ob es für die
Richtigkeit eines Satzes die ‘Grundlegung’, die ‘Rechtfertigung’
in einem anderen Satze und für diesen wiederum in einem anderen
bis zum jedesmal ‘hinreichenden’ Grund-Satze aufsucht2, oder ob
wir schlechthin nach dem ‘Ersten Grunde’ von allem3 fragen:
nach dem Urgrund, welcher nicht nur eine Wahrheit begründet,
sondern Grund ist für alle Wahrheit und Wirklichkeit; und nicht
etwa nur Wahres und Wirkliches je für sich begründet, sondern
1 Dies bedeutet nach dem Parmenides: Das dialektische Denken gipfelt
in einer Antinomie.
2 Phaed. 101 d: aXkvjv mroO-saiv wroS-sgEvop, 7yn<; töv avcotfev ßekTloTT)
9alvoLTO,ew? sttl ti txavov ekhoip.
3 TpoTOv -uva TtavTwv aiTLoq Resp. 508a u. eff., 516b, 517c. Dazu
Phaed 97cf. Soph. 265cf.
 
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