Platonismus und Mystik im Altertum.
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dern zugleich immanent ‘in’ ihm, und zwar notwendig als das ewige
und absolute Eine: Es gibt nur Ein Leben in allem, nur Einen
Urgrund, nur das Eine formende, ordnende und erhaltende Gute-
an-sich. Wie alles Leben im sichtbaren Kosmos von der Sonne
her sonnenhaft ist, so trägt alles Sein überhaupt vom Einen Guten
her seinen Wert an sich. Es ist dieselbe gute Einheit, die den Kosmos
im Ganzen zusammenhält und die jedes einzelne Ding und Wesen
am Sein erhält. Löst sich die Einheit, so tritt der Tod ein. Es ist
das Gut-sein des wahrhaft Einen, daß es die Existenz als etwas
Wertvolles bildet und erhält. Diese Verbindung von Transzendenz
und Immanenz im Gottesbegriff, in dem schlechthin und tiber-
dialektisch Einen, ist es, die für Platon diesen Begriff als einen
nur noch ‘kaum’ durch Denken faßbaren erscheinen1 läßt: Gott
ist es allein, der die ‘Teilhabe am Sein’ dem Nicht-Seienden ermög-
licht und in diesem Sinne (nicht im substantiell erzeugenden)
das Werden erschafft; so verstanden hat Platon einen ‘Schöpfer-
gott’, der nicht etwa die Ursache von allem, aber der Grund von
allem Guten ist2. Und gleichermaßen ist es Gott, der der Erkennt-
nis ihre Teilhabe an der Wahrheit schafft: Sein und Wahrheit
matik von einer ‘Idee des Kreises’ reden, obwohl die rein ideelle Sphäre erst
erreicht ist, wenn ich nicht mehr vom Kreis-an-sich, sondern vom Gleichen-
.an-sich rede, denn Mathematik ist nur Dianoetik, noch nicht Dialektik;
mathematische Begriffe (wie Kreis) ‘spiegeln’ nur dialektische Ideen (wie
Gleichheit) wider, so wie jede rationale Einzelwissenschaft nach Platon
Dialektik in angewandter, gespiegelter Form ist, Resp. 511 a. So darf man
auch im Bereich der Artefakte von ‘Ideen’ der xVivt; und der Tpa-e^oc reden,
obwohl mit der ganzen Fassung dieser Begriffe die ideelle Sphäre noch gar
nicht erreicht ist. 2. Gott als Schöpfer der Idee der xXIvt) besagt nichts anderes,
als daß, wie das Reich der Natur Soph. 265 c, so auch das der Kunst im Abso-
luten gegründet ist: Für das ‘Sein’ der Formen brauchen wir vorbildliche
Ideen; für das ‘Werden’ der Werke brauchen wir den vorbildlichen Demiurgen.
Aber jene sind Gegenstand der Dialektik, dieser ist Gegenstand der Mytho-
poiie (denn dialektisch besteht die Aporie Parm. 134eff). Der Begriff eines
Schöpfers der xVivrran-sich wird also gleichnishaft eingeführt, und der wört-
liche Text darf nicht gepreßt werden; es handelt sich lediglich darum, für den
in Frage stehenden Begriff des Nachahmers durch das Eidos-Eidolon-Ver-
hältnis einen Maßstab zu gewinnen, an dem die Grade der Nachahmung be-
wertet werden können.
1 Resp. 517 b sv tw yvcocrT« teAeutocloc t; tou ay0^0^ iSecc y.cd goyip
öpäaüoa, ocpO-sioa Sk aiAZoyiaxeoc elvoa «p apa uäat uocvtov aÖTrj opüwv cciria..
Heinr. Barth, Platonische Wahrheit, Zeitwende 1920, S. 295, zieht die rich-
tigen Folgerungen für den Charakter der Platonischen Wahrheit.
2 Resp. 380c.
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dern zugleich immanent ‘in’ ihm, und zwar notwendig als das ewige
und absolute Eine: Es gibt nur Ein Leben in allem, nur Einen
Urgrund, nur das Eine formende, ordnende und erhaltende Gute-
an-sich. Wie alles Leben im sichtbaren Kosmos von der Sonne
her sonnenhaft ist, so trägt alles Sein überhaupt vom Einen Guten
her seinen Wert an sich. Es ist dieselbe gute Einheit, die den Kosmos
im Ganzen zusammenhält und die jedes einzelne Ding und Wesen
am Sein erhält. Löst sich die Einheit, so tritt der Tod ein. Es ist
das Gut-sein des wahrhaft Einen, daß es die Existenz als etwas
Wertvolles bildet und erhält. Diese Verbindung von Transzendenz
und Immanenz im Gottesbegriff, in dem schlechthin und tiber-
dialektisch Einen, ist es, die für Platon diesen Begriff als einen
nur noch ‘kaum’ durch Denken faßbaren erscheinen1 läßt: Gott
ist es allein, der die ‘Teilhabe am Sein’ dem Nicht-Seienden ermög-
licht und in diesem Sinne (nicht im substantiell erzeugenden)
das Werden erschafft; so verstanden hat Platon einen ‘Schöpfer-
gott’, der nicht etwa die Ursache von allem, aber der Grund von
allem Guten ist2. Und gleichermaßen ist es Gott, der der Erkennt-
nis ihre Teilhabe an der Wahrheit schafft: Sein und Wahrheit
matik von einer ‘Idee des Kreises’ reden, obwohl die rein ideelle Sphäre erst
erreicht ist, wenn ich nicht mehr vom Kreis-an-sich, sondern vom Gleichen-
.an-sich rede, denn Mathematik ist nur Dianoetik, noch nicht Dialektik;
mathematische Begriffe (wie Kreis) ‘spiegeln’ nur dialektische Ideen (wie
Gleichheit) wider, so wie jede rationale Einzelwissenschaft nach Platon
Dialektik in angewandter, gespiegelter Form ist, Resp. 511 a. So darf man
auch im Bereich der Artefakte von ‘Ideen’ der xVivt; und der Tpa-e^oc reden,
obwohl mit der ganzen Fassung dieser Begriffe die ideelle Sphäre noch gar
nicht erreicht ist. 2. Gott als Schöpfer der Idee der xXIvt) besagt nichts anderes,
als daß, wie das Reich der Natur Soph. 265 c, so auch das der Kunst im Abso-
luten gegründet ist: Für das ‘Sein’ der Formen brauchen wir vorbildliche
Ideen; für das ‘Werden’ der Werke brauchen wir den vorbildlichen Demiurgen.
Aber jene sind Gegenstand der Dialektik, dieser ist Gegenstand der Mytho-
poiie (denn dialektisch besteht die Aporie Parm. 134eff). Der Begriff eines
Schöpfers der xVivrran-sich wird also gleichnishaft eingeführt, und der wört-
liche Text darf nicht gepreßt werden; es handelt sich lediglich darum, für den
in Frage stehenden Begriff des Nachahmers durch das Eidos-Eidolon-Ver-
hältnis einen Maßstab zu gewinnen, an dem die Grade der Nachahmung be-
wertet werden können.
1 Resp. 517 b sv tw yvcocrT« teAeutocloc t; tou ay0^0^ iSecc y.cd goyip
öpäaüoa, ocpO-sioa Sk aiAZoyiaxeoc elvoa «p apa uäat uocvtov aÖTrj opüwv cciria..
Heinr. Barth, Platonische Wahrheit, Zeitwende 1920, S. 295, zieht die rich-
tigen Folgerungen für den Charakter der Platonischen Wahrheit.
2 Resp. 380c.