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Ernst Hoffmann:
etwa durch Kategorien, wie sie der Dialog Gorgias bringt, Hedo-
nismus, rechnender Utilismus, barer Vitalismus, konstituiert wird;
der Bereich der Ideenerkenntnis hingegen durch die reinen sitt-
lichen Kategorien, aus denen Platon in der Politeia den Schematis-
mus der vier Kardinaltugenden herleitet; das ‘größte Mathema’
des Guten endlich Platons Primat* 1 des Sollens und Förderns über
das bloße Sein und Beharren in sich enthält. Nur Dialektik als
die Kunst, die verschiedenen Arten von Einsheiten scharf zu unter-
scheiden, die relative der Sinnendinge, die absolute der Ideen, die
metaphysische Gottes, kann daher die Wenigen, die zum durch-
dringenden und verantwortlichen Denken berufen sind, wahrhaft
erziehen. Deren vernünftige Seelen aber werden dann den Erkennt-
nisweg von den scheinenden Dingen zu den walnen Formen finden,
von den reinen Formen zum wesenhaft Guten, und von ihrem
Führer- und Wächtertum allein kann das Heil kommen, das dem
Ganzen ihres Volkes zuteil werden soll. So ist die Philosophie
für die Menschen ‘das Gute’.
Auch das Linien- und das Höhlengleichnis2 zeigen mit beson-
derer Schärfe nochmals jene grundsätzliche Dreiheit. Was wir im
künstlichen Dämmerlicht innerhalb der Kerkerhöhle sehen, soll den
Objekten sinnlicher Wahrnehmung verglichen werden; was im
Lichtreich draußen, den Objekten geistiger Erkenntnis; was aber
die Sonne für Himmel und Erde bedeutet, das ist kennzeichnend
für die Funktion der Ideenkönigin. Dabei stehen das Draußen und
das Drinnen der Höhle im streng tmematisclien Verhältnis von
Eidos und Eidolon; und dieses Verhältnis muß nach den von
Platon gegebenen Anweisungen genau eingesehen werden. Solange
wir als Sinnenmenschen3 in dem nur künstlichen Lichtschein der
die drei Formen des tätigen, handelnden und genießenden Lebens. Theoreti-
sches und praktisches Verhalten müssen für Platon in der Vollendung Kor-
relate sein. Wie in Natur und Kunst, so kann es auch in Erkenntnis und Sitt-
lichkeit nur Ein Gutes geben: erst die Dialektik muß spalten. Proklos hat
gesehen, daß letztlich auch die Scheidung von axeuacxov und cpucnxov im
Höhlengleichnis mit diesen Problemen zusammenhängt (In rem publ. S. 291
Kroll).
1 Vgl. Platonismus u. Mittelalter S. 48f.
2 Versuch einer Analyse in meinem Aufsatz fDer pädagogische Gedanke in
Platons Höhlengleichnis’, Logos XL, 19.31, S. 47ff.
3 Die Fesselung ans Sinnliche ist das Tta-hoi;, mit dem unsere cpüan;
belastet ist. Auf welche Weise unsere Natur in diesen Zustand gelangt
ist, steht für Platon in diesem Zusammenhang nicht zur Diskussion. Aber
Ernst Hoffmann:
etwa durch Kategorien, wie sie der Dialog Gorgias bringt, Hedo-
nismus, rechnender Utilismus, barer Vitalismus, konstituiert wird;
der Bereich der Ideenerkenntnis hingegen durch die reinen sitt-
lichen Kategorien, aus denen Platon in der Politeia den Schematis-
mus der vier Kardinaltugenden herleitet; das ‘größte Mathema’
des Guten endlich Platons Primat* 1 des Sollens und Förderns über
das bloße Sein und Beharren in sich enthält. Nur Dialektik als
die Kunst, die verschiedenen Arten von Einsheiten scharf zu unter-
scheiden, die relative der Sinnendinge, die absolute der Ideen, die
metaphysische Gottes, kann daher die Wenigen, die zum durch-
dringenden und verantwortlichen Denken berufen sind, wahrhaft
erziehen. Deren vernünftige Seelen aber werden dann den Erkennt-
nisweg von den scheinenden Dingen zu den walnen Formen finden,
von den reinen Formen zum wesenhaft Guten, und von ihrem
Führer- und Wächtertum allein kann das Heil kommen, das dem
Ganzen ihres Volkes zuteil werden soll. So ist die Philosophie
für die Menschen ‘das Gute’.
Auch das Linien- und das Höhlengleichnis2 zeigen mit beson-
derer Schärfe nochmals jene grundsätzliche Dreiheit. Was wir im
künstlichen Dämmerlicht innerhalb der Kerkerhöhle sehen, soll den
Objekten sinnlicher Wahrnehmung verglichen werden; was im
Lichtreich draußen, den Objekten geistiger Erkenntnis; was aber
die Sonne für Himmel und Erde bedeutet, das ist kennzeichnend
für die Funktion der Ideenkönigin. Dabei stehen das Draußen und
das Drinnen der Höhle im streng tmematisclien Verhältnis von
Eidos und Eidolon; und dieses Verhältnis muß nach den von
Platon gegebenen Anweisungen genau eingesehen werden. Solange
wir als Sinnenmenschen3 in dem nur künstlichen Lichtschein der
die drei Formen des tätigen, handelnden und genießenden Lebens. Theoreti-
sches und praktisches Verhalten müssen für Platon in der Vollendung Kor-
relate sein. Wie in Natur und Kunst, so kann es auch in Erkenntnis und Sitt-
lichkeit nur Ein Gutes geben: erst die Dialektik muß spalten. Proklos hat
gesehen, daß letztlich auch die Scheidung von axeuacxov und cpucnxov im
Höhlengleichnis mit diesen Problemen zusammenhängt (In rem publ. S. 291
Kroll).
1 Vgl. Platonismus u. Mittelalter S. 48f.
2 Versuch einer Analyse in meinem Aufsatz fDer pädagogische Gedanke in
Platons Höhlengleichnis’, Logos XL, 19.31, S. 47ff.
3 Die Fesselung ans Sinnliche ist das Tta-hoi;, mit dem unsere cpüan;
belastet ist. Auf welche Weise unsere Natur in diesen Zustand gelangt
ist, steht für Platon in diesem Zusammenhang nicht zur Diskussion. Aber