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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0036
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Ernst Hoffmann:

Kontinuität herrschen vom höchsten Prinzip bis zum Einzelnen
und Kleinsten, so wird gefordert werden müssen ‘Bindung’ des
Einen und des Vielen in einem umgreifenden Ganzen. Auch
Platons Idee des Guten war ein übergreifendes und umfassendes
Prinzip gewesen: Leben und Tod mögen logisch und physisch
einander entgegengesetzt sein, das göttlich-Gute war für Platon
in dem Sinne zugleich die Idee des Lebens, daß Entstehen und Ver-
gehen, Lebendiges und scheinbar Totes in göttlicher Obhut1 gleich-
sam geborgen sind. Aber diese Allmacht des Guten beruhte nach
Platons Voraussetzungen gerade auf seiner Supertranszendenz,
auf dem überweltlichen, überseienden, überbegreiflichen Wesen
Gottes, und auf der absoluten Selbständigkeit der Ideen, an deren
Sein das Werdende durch Gott teilhaben kann. Im Hellenismus
jedoch entstehen jetzt jene wirksamen philosophischen Lehrge-
bäude pantheistischer Prägung, welche aus Gott, Ideen und Welt
einen großen geschlossenen, substantiellen Zusammenhang machen
und dieser Ganzheit den organischen Charakter der Entwick-
lung des Einen ins Viele geben. Wir haben es zu tun mit drei
Schulen des Hellenismus und der Kaiserzeit: mit der späteren
Stoa, den Neupythagoreern und dem sogenannten neuen Platonis-
mus. Allen dreien ist gemeinsam, daß sie sich zum Zwecke der Her-
stellung ihres organischen Weltbildes dieser Konversion des ur-
sprünglichen Platonismus bedienen, die ich soeben angedeutet
habe: Gott und Ideenreich werden irgendwie in Eins zusammen-
gedacht; dieses Eine, ideell-Göttliche wird auch im Kreatürlichen
als ihm irgendwie innewohnend und einwirkend vorausgesetzt,
vorzüglich wesenhaft in der menschlichen Seele; und dies Ganze
erhält den Charakter eines dreigestuften, substantiellen Konti-
nuums. Nun erst treten die Gottheit, die von ideellen Kräften
durchwaltete Natur und die vernünftige Seele in eine derartige
Beziehung zu einander, daß für ‘platonisierende’ Philosophien die
Möglichkeit offen wird, sich in mystischer Richtung zu entwickeln,
indem Gott als das begriffen wird, was nicht mehr Participatio
am Sein schenkt, sondern was selber durch ‘Generatio’, ‘Expli-
catio’ oder ‘Emanatio’ in der Welt und in den Seelen west und
Rückkehr zum Ursprung ermöglicht. Im Einzelnen führte dieser
1 Das steht für den, der die Stelle im Zusammenhang des ganzen Dia-
loges liest, schon Phaed. 62 d eüZoywq sysi to üeov te eIvou tov ETUgeXou-
(XEVOV 7)[XWV.
 
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