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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0039
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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dessen Kritik an Platons Ideenlehre gerade die Tmematik beson-
ders betroffen hatte, war aus der Bindung ein bis in die Physik
reichender Begriff geworden: Die Substanzen selber sind unter-
einander gebunden; schon die ‘Elemente’ lassen ihre Qualitäten
faktisch ineinander übergehen, wie etwa Feuer und Luft durch das
‘Warme’ gebunden sind, Luft und Wasser durch das ‘Feuchte’,
Wasser und Erde durch das ‘Kalte’, Erde und Feuer durch das
‘Trockene’. Die Übernahme dieses Aristotelischen Lehrstücks1
wurde für die Stoa eine Grundvoraussetzung, um das Ganze der
Welt als einen in sich gebundenen Körper aufzufassen. Mit dem
Prinzip der Bindung aber verknüpften nun die Stoiker späterhin
das des Fortschritts, der Entwicklung von dem nur mit Passivität
ausgestatteten Stein zur vegetativen Pflanze, von der Pflanze zum
sensitiven Tier, vom Tier zum rationalen Menschen; und der Kos-
mos wurde schließlich zum Inbegriff des schlechthin umfassenden
Ganzen, indem die Reihe des Unorganischen und Organischen
in das Überorganische fortgeführt und demgemäß sogar das Gött-
liche in den Zusammenhang des Weltganzen einbezogen wurde.
So ist das Universum als vollkommener Leib in allen seinen Teilen
und Gliedern gebunden, ja die Bindung selbst ist das vernünftige
und geistige Prinzip in ihm; der Mensch aber als höchstes irdisches
Wesen und zugleich als unterstes gotthaftes vertritt den Begriff
der Bindung in einer eigentümlichen und auszeichnenden Weise,
d. h. für ihn wird die Verbindung von Welt und Gott zu seiner
besonderen Berufung und Aufgabe. Zu diesem Zwecke hatte der
Logos im Menschen besondere Formen angenommen. Ist der
Logos2 als Spermatikos überhaupt objektives Formungsprinzip
für alle Dinggebilde, so ist seine Keimkraft, seine Generatio dem
Menschen in noch tieferem Sinne eigen, sie ist ihm sogar als Sub-
jekt immanent, so daß der Mensch das einzige Geschaffene ist,
welches der schöpferischen Weltvernunft nicht nur dient, sondern
sich in Einstimmigkeit mit ihrem Willen wissen kann. Im Ganzen
genommen sind es also drei Umstände, welche für den Stoiker
'das Ganze (to -av) zu einem in sich gebundenen Universum ma-
chen: erstens die physikalische Gesetzlichkeit, mag sie als Fatum
oder als Sympatheia oder als Weltseele gefaßt werden; zweitens
der genetische Fortschritt in der Entwicklung der Weltsubstanzen,
1 Vgl. Ueberweg-Praechter, a. a. O.
2 anzp[Lcczv/.6c, und yevvtjtlxoi;, daher bürgerte sich (wie es scheint, erst
in der Kaiserzeit) generatio als Terminus ein, nicht seminatio.
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