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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0046
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Ernst Hoffmann:

Drittens der Neuplatonismus: Dachte die Stoa das göttlich-
Eine substantiell als Uranfängliches, welches sich selbst in die
Vielheit hinaussäet; dachte der Pythagoreismus mathematisch
das göttlich-Eine als Eingefaltetes, das sich in die Vielheit aus-
einanderfaltet, so denkt die Schule des Plotinos das göttlich-Eine
emanatistisch als den ausströmenden Quell, aus dessen Einheit
unaufhörlich die Fülle göttlichen Seins sich ergießt, oder als den
Lichtquell, aus dessen Einheit unablässig die Helle ausstrahlt;
m. a. W. das göttlich-Eine wird als die unendliche Fülle gedacht,
welche Sein abgibt, ohne selber davon einzubüßen. Wie der Ge-
bildete1 durch Vortrag spirituell andern seine Bildung mitteilt,
ohne dadurch selber an Bildung ärmer zu werden, so strahlt die
göttliche Superabundanz unablässig Wesenheit aus; und diese
ewige Ausstrahlung ist die Welt in der absteigenden Klimax ihrer
Bestände. Dabei bleibt das göttlich-Eine selber von allen Phasen
und Graden der Wirklichkeit, die aus ihm entstehen, geschieden
und jenseits aller Beteiligung an ihnen; ganz im Gegensatz zu
Platons demiurgischem ayocFov, hingegen im Einklänge mit der
votjcn? vor)azuc, des Aristoteles. Plotins ‘Eines’ bleibt inaktiv,
obwohl es der Quell aller Aktualität ist; es bleibt unverändert,
obwohl es die Welt als das grundsätzlich Andere ewig hervorbringt.
Wie Feuer Wärme ausstrahlt2, Schnee Kälte, Blumen Düfte: wie
jedes Ding eine Wirkung hervorbringt, die eine Art Abbild von ihm
ist und dem Urbilde dennoch nichts nimmt, so geht aus Gott die
Welt hervor, ohne daß Gott in die Welt übergeht3. Die Welt stammt
‘notwendig’ aus Gott, aber nicht aus derjenigen Notwendigkeit,
die in Gottes eigenem Sein beschlossen ist, sondern aus derjenigen,
mit welcher seine Substanz aus sich selbst heraus wirkt. So kann
das Vollkommene Quelle sein für Existenzformen, die nicht voll-
kommen und dennoch dem Vollkommenen abbildlich ähnlich sind;
so kann das Gute lediglich ‘auf sich selber blicken’ und dennoch
Energien abgeben, die bis zur untersten Wirklichkeit reichen.
‘Weit um es her leuchtet ein heller Glanz, während es selbst in sich
verharrt, ebenso wie die Sonne von einem Strahlenkränze umgeben

1 Dies Bild ist wohl pythagoreischen Ursprungs (vgl. Jamblichus,
Vit. Pythag. VIII, 42h
2 Plot., Enn. V, 1, 6, S. 147 Z. 27 (Müller). Vgl. damit Plat., Phaed.
103 d.
3 Vgl. E. Caird, Die Entwicklung der Theologie in der griechischen
Philosophie (deutsch von H. Wilmanns), Halle 1909. S. 448.
 
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