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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0058
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54

Ernst Hoffmann:

wurde ihr ‘Fall’. Ziel ihrer Rückkehr wäre (nach grundsätzlicher
Sinnesänderung und Umkehr) die Wiedervereinigung mit dem
Absoluten, mit ihrem Ursprung, in welchem allein auch der Sinn
ihrer Heimkehr beschlossen liegt. Dies Ziel also ist, sofern erreich-
bar, radikal mystisch; die neuplatonische ‘Henosis’ ist nicht mehr
nur relative Verähnlichung und Annäherung an Gott, auch nicht
nur intelligible Gottesschau, sondern absolute Rückkehr in ihn1.
Und so ist denn auch der Neuplatonismus diejenige Richtung, in
welcher zum ersten Male das besondere Erlebnis mit allen Merk-
malen bezeugt wird, welches für jede echte abendländische Mystik
als das eigentlich charakteristische gilt, die sogenannte Ekstase2,
d. h. nicht der langsame, stetige Rückweg über die Emanations-
stufen hin zu Gott, sondern das Erlebnis, sich ‘plötzlich’ mit Gott
Eins zu fühlen; plötzlich aus der 'Zeitfolge3 alles Weltgeschehens
heraus und durch Entrückung in die Zeitlosigkeit bei Gott zu
sein; plötzlich nicht mehr Gott als das Eine und getrennt von ihm
1 Stoisches, Pythagoreisches, fast schon Neuplatonisches vereint bei
Kaiser Marcus: svSov ßXsxE, evSov 7] roü (xyatfoö xal ael dcvaßXÜEiv
SuvagEVT), sav ael axa7tT7)<; XIII, 3. sie, auvov auvsiXou VIII, 59. octtXmctov
aeauTov IV, 3. Vgl. die reichhaltige, aber unkritische Schrift von H. F. Müller,
Dionysios, Proklos, Plotinos, Baeumkers Beiträge XX (1918) Nr. 3—4, S. 72.
Die Verse, deren Quellenangabe bei Rohde, Psyche II, S. 294, Müller
vermißt, stammen von Hebbel (Werke VII ed. Werner, S. 143). Sie stehen
in den Tagebüchern vom 3. Okt. 1843 unter Paris, sind aber bereits in Heidel-
berg geschrieben und lauten vollständig:
Nicht darf der Staub noch klagen,
Der glühend und bewußt
Die ganze Welt getragen
In eigner, enger Brust.
Worin ich mich versenke,
Das wird mit mir zu Eins,
Ich bin, wenn ich ihn denke,
Wie Gott, der Quell des Seins.
2 Porphyrius, Vita Plotini cap. 23: 8k rerpaxu; ~ou ots aüvcv
auvY)p)v toö axoTioo toutou Evspyela apprjTO) xal oü Suvagsi. Vgl. Enn. II, 99;
IV, 81; IV, 2, 2: ei 8£ ecmv [6 vocöv] avroq toiouto? oloq xdlvTa slvai, ovav
auvöv vofj Travxa ogou voel. «ote zfj gev elc, sauvov 6 voiouvo<; ETußoXf) xal
Evspysla sauvov opwv voc roxvva egTOptE^oggiva syst,, npöt; va xavva sg-
TCspiExogEvov sauvov. VI, 9, 4: wrsp E7uaT7)gY)v volvuv Sei Spagsiv xal gTjSagfj
sxßalvstrv vou ev elvai. Das Harren auf die Ekstase V, 5, 7 und 8.
3 Das Moment der Zeit ist für die mystische Ekstase konstitutiv: Die
Zeit ist Emanation aus intelligibler Ewigkeit. Vgl. H. Leisegang, Die Begriffe
der Zeit und Ewigkeit im späteren Platonismus. Baeumkers Beiträge XIII
(1913) 4 S. 17.
 
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