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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0061
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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dem Gedanken vom Reiche Gottes philosophische Gestalt zu geben.
Und hier ist Phiions Bedeutung dreifach. Erstens, gleich wie Albi-
nos Platon und Aristoteles vermengte, und wie der sogenannte
Lokrer Timaios Platon und Pythagoras mischte, so brachte Philon
vor allem Platon und die Stoa zusammen. Auf diesen Synkretismen
aber beruht die Traditionsgeschichte der Philosophie fortan viel
stärker als auf den Werken der originalen Denker. Und es war
doch schließlich nichts Kleines, dem Platonismus eine Form zu
geben, in der er durch Jahrtausende hindurch sich vererben und
den Bedürfnissen von Spätantike, Mittelalter und Renaissance
sich dienstbar machen ließ. Zweitens, hierzu kommt bei Philon
die Rezeption so zahlreicher Aristotelismen, daß Platons Wirkung,
die sich nach seinem Tode zunächst in eine aristotelisierende und
eine mystische Richtung entzweit hatte, bei Philon wieder in
Eins zusammenlief; mystische Platonkonversion und aristotelische
Teleologie sind seit ihm so nahe aneinander gerückt, daß prinzipiell
jener Standpunkt bereits eingenommen ist, durch dessen Ausbau
später Proklos den beherrschenden Einfluß auf das Mittelalter
gewinnen sollte. Das maßgebende Bild steht schon bei Philon fest:
Von Platon wird der Gott des Timaios übernommen, von Aristoteles
die Dynamisierung der Ideen, von den Pythagoreern die Zahlen
als Symbole für Gottes Gedanken, von der Stoa die Immanenz
der Allvernunft im Kosmos. Drittens endlich, das synkretistische
Motiv sucht griechischen Platonismus und israelitischen Mosaismus
zu verschmelzen. Es genügt nicht, dies Vorhaben mit Phiions
Präjudiz abtun zu wollen, Platon habe die geoffenbarten Wahr-
heiten der Bibel gekannt; sondern es kommt darauf an, in dem
Wirrwarr Phiionischer Tendenzen dennoch das Gewaltige der neuen
Methode zu sehen, zu der sich ja doch späterhin alle christliche
Spekulation, von Isidor und Alkuin an, bekannte: der Methode,
platonisierende Dialektik zu einem Organ der Theologie umzuge-
stalten und auf dieser Basis philosophisch-synkretistische Bibel-
exegese zu betreiben. Wer Philon herabsetzt, weil seine philo-
sophische Eklektik auf dem Boden hellenistischer Platonkon-
version sich in den Dienst geoffenbarter Bibelwahrheit stellte,
sollte sich sagen, daß noch Meister Eckart mit seinen Bibelkom-
mentaren in der Linie derselben literarischen Methode, derselben
mystischen Konversion des Platonismus, derselben von der östlichen
Scholastik weiterentwickelten Synkretistik steht. Endlich aber,
nicht nur als Sammelbecken des gesamten antiken Erbes platoni-
 
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